D 2014, 95 min
FSK 0
Verleih: Salzgeber

Genre: Dokumentation, Biographie

Regie: Annekatrin Hendel

Kinostart: 02.10.14

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Anderson

Mentalitätsgeschichte – Annekatrin Hendels zweiter Teil ihrer „Verräter-Trilogie“

Sascha Anderson? Ein Film über Sascha Anderson? Ach du lieber Gott, warum das denn? Weiß überhaupt jemand, der nach, sagen wir mal, 1980 geboren wurde, wer Sascha Anderson ist?

Fraglich. Und okay auch. Wenn man indes ein wenig älter ist, mag man sich eventuell aber schon erinnern. An diesen Typen, der einst, in der seligen DDR, Ende der 70er bis in die 80er hinein den Subkultur-Zampano vom Prenzlauer Berg gab. Als Dichter, auch Musiker und Organisator von Lesungen, Ausstellungen, Konzerten. Und dabei – fast will man „natürlich“ schreiben – für die Staatssicherheit spitzelte. Und zwar so skrupellos und dienstbeflissen, wie es indes ja seit je immer wieder mal brave Deutsche – und das wahrlich nicht nur in der DDR – taten.

Und vielleicht ist genau das der Knackpunkt, an dem sich Annekatrin Hendels Dokumentarfilm ANDERSON auf eine Ebene hebt, die über das ansonsten ehrlich gesagt begrenzt interessante Porträt des, nun ja, Titelhelden hinausgeht. Hendel begleitet Anderson bei seinem Umzug von Frankfurt/Main ins hessische Nidderau und entführt ihn dabei quasi in die Vergangenheit. Nach Berlin, in eine detailliert nachgebaute Wohnküche, die Anderson schnell als die von Ekkehard Maaß wiedererkennt, und in der sich einst gern die Szene vom „Prenzel-Berg“ tummelte.

In ihrem Film befragt Hendel die damals Bespitzelten, die Freunde und die Geliebte auch, über die Anderson so zuverlässig Buch für die Genossen führte – und Hendel befragt natürlich Anderson selbst. In diesem Küchennachbau, der wohl als Erinnerungs- und Emotionsstimulator dienen soll.

Es ist dabei schwer zu sagen, ob das wirklich funktioniert. Ob Anderson deshalb etwas „Wahreres“ von sich zeigt. Wie es ebenso nebensächlich ist, welche persönliche Prägungen und psychologische Struktur ihn zu dem „Arschloch“ machten, als das, Ältere erinnern sich, Wolf Biermann ihn bezeichnete. Im Grunde aber waltet da kaum mehr denn die Banalität des Opportunisten. Das zu sehen, ist erhellend – aber was eben darüber hinaus an ANDERSON reizvoll ist, ist der Umstand, daß dieser Film (zumal im Kontext zu Hendels vorhergehender, unbedingt sehenswerter Arbeit VATERLANDSVERRÄTER) über den Versuch eines Psychogramms hinausreicht, ein Stück Mentalitätsgeschichte aufzeigt. Deutschland – das „Land der Dichter und Denker“. Und das der Denunzianten.

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.