D 2008, 131 min
Verleih: Constantin

Genre: Drama, Historie, Literaturverfilmung

Darsteller: Nina Hoss, Evgeny Sidikhin, Irm Hermann, Jördis Triebel, August Diehl, Juliane Köhler, Sandra Hüller

Regie: Max Färberböck

Kinostart: 23.10.08

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Anonyma – Eine Frau in Berlin

Aufarbeitung an der Oberfläche

Beim Hochglanz-Aufarbeitungskino zur deutschen Geschichte sind die Zeitsprünge bekanntlich hoch budgetiert, damit alles schön real rüberkommt. Auch Max Färberböck (AIMÉE & JAGUAR) begibt sich einmal mehr zurück und diesmal - auch im inszenatorischen Aufwand parallel zu DER UNTERGANG - in das Berlin der letzten Kriegstage. Von Osten marschieren die Russen ein, in den Luftschutzkellern zittert die Bevölkerung vor dem, was kommen mag, und vor allem die Frauen wissen vielmehr, als sie ahnen: Schlimmstes steht ihnen bevor, denn sie sind Kriegsbeute, Freiwild für die Soldaten der Roten Armee.

Der Regisseur nähert sich dem Thema der Vergewaltigungen in jener Zeit mit Vehemenz. Eindrücklich sind seine Bilder, unmöglich gemacht werden will auf diese Weise das Wegschauen, das Verleugnen. Sein Film basiert auf schon in den 50ern veröffentlichten Tagebuch ähnlichen Aufzeichnungen einer Anonyma, die bei ihrem Erscheinen verpönt wurden. Die Intention des Films scheint klar - endlich soll den lange tabuisierten Geschehnissen die entsprechende Aufmerksamkeit zuteil werden.

Aufmerksam wird man schon, aber vor allem darauf, daß sich Färberböck zu viel vorgenommen hat. Er negiert nicht nur die Zwischentöne, welche die Vorlage liefert. Zentral behandelt er zwar die Ambivalenz im Verhalten seiner Hauptprotagonistin - zunächst ausschließlich Opfer der sexuellen Übergriffe, beschließt sie zum Beispiel, sich einem hochrangigen Beschützer anzuvertrauen. Aber schon die anknüpfende Geschichte einer unmöglichen Liebesbeziehung geht unter im Zuviel an Nebenfiguren und Parallelgeschichten. Färberböcks Film hat aber zugleich das Potential, fragwürdige Botschaften und Bilder herauszustellen. Die Mitläufer-Mehrheit von den überzeugten Nazis zu unterscheiden, ist ein solches Postulat. Wenig reflektiert erscheint auch die schlußendliche Darstellung der geschändeten Frauen als fügsame Schicksalsgemeinschaft, die einmal mehr beweisen muß: Wir stehen das durch.

Das Oberflächliche dieser filmischen Adaption kann kein Inszenierungsaufwand ausgleichen. Und auch die zurückhaltende Präsenz der großartigen Nina Hoss in der Hauptrolle hat hier kaum Gewicht.

[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.