Originaltitel: ASSASSINATION NATION

USA 2018, 108 min
FSK 16
Verleih: Universum

Genre: Thriller, Satire

Darsteller: Odessa Young, Suki Waterhouse, Bella Thorne

Regie: Sam Levinson

Kinostart: 29.11.18

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Assassination Nation

Mitten in die bigotte Fresse

Piefige Kleinstadt. Satter Rasen. Drohende Frühvergreisung. Lily (18) plus Freundinnen wollen bloß weg, aber vorher, klar: Sex. Oder wenigstens endlos drüber texten, wer wen wann wie wo flachgelegt hat bzw. zumindest plant, selbiges demnächst zu tun. Das Ganze im Rausch aus Farbfiltern, Split Screens, Zeitlupe, Off-Kommentaren. Vorerst banales Zeug, passend zu Erkundigungen à la: „Hat Dich Mark endlich mal geleckt?“

Dann tauchen Bilder vom eigentlich homophoben Bürgermeister auf, Damenunterwäsche tragend. Die Fotos kreisen in den ach so sozialen Netzwerken flotter als ein durchschnittlicher Joint, der Mann zieht Konsequenzen, nun wird des Schuldirektors Smartphone gehackt. Und schließlich sind alle Bewohner dran, bisher streng Gehütetes fliegt auf. Da haut man der nominellen Freundin schnell einen Baseballschläger über die intrigante Rübe. #racheistsüß

Das trifft untenrum, weil es die Realität zuspitzt: Jeder billige Pseudo-Skandal, das Ereifern über völlig Irrelevantes, lenkt ebenso vom engen Scheuklappen-Leben, dem Knabbern an der Totalunzufriedenheit ab wie klägliche Eigenpräsentation und Millionen öder Selfies. Bis persönliche Peinlichkeiten rüde zuschlagen, gar die lange aus Erwartungen und Moral mühselig zusammengezimmerte Maske fällt, ein vom ungewohnten Lichteinfall geblendetes, zitterndes Menschenbündel zum Vorschein kommt; hilflos, einsam. Dies jetzt einfach stehenzulassen, als nachtschwarze Kopfnuß quasi, wäre okay gewesen. Was allerdings weiter geschieht, vergällt grenzgängerisches Entertainment zum zynischen Inferno – eine erpreßte Beschuldigung macht Lily für die Misere verantwortlich, die selbsternannt „guten Menschen“ von Salem (!) mutieren zum gewaltgeilen Mob, rufen eine mörderische Hexenjagd aus ...

Den auf Grundeis gehenden Arsch in anonym geifernder Masse zu wärmen und tierisch brüllend gegen hochgeputschte Gefahren anzurennen, kam seit einiger Zeit ja wieder schwer in Mode. Und auch darum verdickt beim fortan fies von der Leinwand schwappenden Blutbad zunehmend der Hals; was überkandidelt begann, gewinnt plötzlich unangenehme Züge, Momente bodenständiger Verzweiflung verstören regelrecht. Ausgerechnet ein vermeintlich simpel satirisch unterhaltender Teenie-Thriller gerät da, radikal ungebremst am Rad drehend, zum (Vexier-)Spiegel unserer Moderne und knallt großartig rein: siehe oben, unterm Titel.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...