Originaltitel: ATLANTIC.

NL/Belgien/D/Marokko 2014, 94 min
FSK 0
Verleih: Neue Visionen

Genre: Drama

Darsteller: Fettah Lamara, Thekla Reuten, Mohamed Majd, Wisal Hatimi, Hassna Souidi, Jan-Willem van Ewijk

Regie: Jan-Willem van Ewijk

Kinostart: 09.07.15

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Atlantic.

Der junge Mann und das Meer

Moulay Bouzerktoun ist ein pittoreskes Dorf an der windumtosten marokkanischen Atlantikküste und während der Sommermonate ein Mekka für Windsurfer aus aller Welt. Auch der niederländische Filmemacher Jan-Willem van Ewijk kam mehrmals zum Surfen, fand Freunde unter den Einheimischen und kam schließlich auf die Idee, dort einen Film zu drehen: die Geschichte eines jungen marokkanischen Windsurfers, der sich auf eine gefahrvolle Reise über das Meer Richtung Europa begibt.

Fettah ist, so scheint es, fest verankert in seinem Dorf. Er kümmert sich liebevoll um seinen alten Vater und um das kleine Mädchen Wisal, geht fischen, um den kargen Lebensunterhalt der Familie zu bestreiten, und surft, wann immer er kann. Wie jedes Jahr kommt sein Freund Jan aus den Niederlanden zu Besuch, diesmal hat er Alexandra mitgebracht. Es kommt, wie es wohl kommen muß: Fettah verliebt sich. Am Ende des Sommers reisen Alexandra und Jan ab, Fettah kann ihnen nicht folgen. Auf einmal fühlt er sich wie eingesperrt in seinem gewohnten Leben. Und so faßt er einen wahnwitzigen Entschluß.

ATLANTIC. ist nicht primär ein Film über Windsurfer, auch keiner über Flüchtlinge. Es ist ein Film über die tief im Menschen verankerte Sehnsucht, seine eigenen Grenzen zu überschreiten. Alexandra ist eine Chiffre für das gänzlich Andere, für das Unbekannte, das hinter dem Horizont des Vertrauten liegt. Fettah begibt sich nicht nur auf eine reale, sondern auch auf eine spirituelle Reise. Er vertraut sich dem Meer an, dem Ursprung des Lebens.

Hauptdarsteller Fettah Lamara ist ein begnadeter Windsurfer mit einer starken Präsenz auf der Leinwand. ATLANTIC. ist sein Schauspieldebüt. In vielen Aufnahmen scheint er mit dem Element zu verschmelzen. Auch viele der anderen Figuren werden von Laienschauspielern aus der lokalen Bevölkerung gespielt. Dadurch wirkt der Film mitunter semidokumentarisch und sehr authentisch. Ein optischer Hochgenuß sind die langen Einstellungen, mit denen Kameramann Jasper Wolf den Ozean in epischer Größe einfängt. Fettah ist nur winziger Punkt in der Weite, verloren und geborgen zugleich. Diese meditativen Bilder entfalten auf der Leinwand einen Sog, sie werden noch verstärkt durch den hypnotisierenden Soundtrack, der vom belgischen Komponisten Piet Swerts in Zusammenarbeit mit dem marokkanischen Musiker Mourad Belouadi entstand.

[ Dörthe Gromes ]