Noch keine Bewertung

Aus Liebe zum Volk

Abschiedsmonolog eines Stasi-Majors

Bilder von videoüberwachten Klos, Kaufhäusern, Plätzen und Büros. George Bush spricht von Sicherheit, Erich Mielke sagt jenen Satz, der zum Inbegriff der ambivalenten Liebesbeziehung zwischen einem Staat und seinem Volk wurde: "Ich liebe euch doch alle!" Das höhnische Gelächter, das ihm daraufhin entgegen schlug, zeigt, wie sehr gerade diese Liebe unter Mißverständnissen zu leiden hat - über Freiheit und ihre Bedingungen, über Staatssicherheit und das, was sie beschützen will.

Mit EIN SPEZIALIST schufen Eyal Sivan und Audrey Maurion zuletzt einen der, gerade in seiner Protokollhaftigkeit, in seinem Mut zum Verzicht auf Kommentare, eindrücklichsten Dokumentarfilme über den Eichmann-Prozeß in Israel. Hier steht der Kommentar gewissermaßen im Zentrum. Zugrunde liegt der kurz nach der Wende publizierte Text "Ausgedient - Nach Notizen eines Stasi-Offiziers notiert von Reinhardt Hahn", gesprochen wird Major S. von Axel Prahl. "Herr S., es ist endgültig aus. Vielleicht finden Sie eine neue Aufgabe". An seinem letzten Tag im Liebesdienst am Volk nimmt Herr S. Abschied von seiner Behörde, streift unsichtbar durch die Zimmer und resümiert die Arbeit der vergangenen Jahre. Verhöre, Verdächtigungen, Überwachungen und ein Glaubensbekenntnis: "Wir wollten Terroristen bekämpfen und die Volkswirtschaft vor Spionage beschützen."

Der Text evoziert eine Collage von Archivmaterial, ein Puzzle des MfS-Alltags: Bild- und Tonaufzeichnungen aus fremden Wohnungen, von Arbeitsplätzen, ja sogar vom Stelldichein der untreuen Ehefrau des heimlichen Beobachters. Disparate Versatzstücke ohne nähere Bezeichnung, oft sogar im Widerspruch zum Gesagten. So blickt man zu Worten von staatstragenden Ermittlungen aus dem fahrenden Auto ins weite Feld und sieht - nichts. Höchstens die Überreste pensionierter Landmaschinen. Oder sammelt sich hier der politische Widerstand?

Die Unsicherheit über den inneren Zusammenhang von Bilddokument und Textfragment ist bei Sivan und Maurion intellektuelles Prinzip: die Glaubwürdigkeit des Gezeigten erschüttern. Als authentische Dokumentation somit absichtsvoll gescheitert, muß der essayistische Ansatz Bild und Wort tragen. Dafür ist er aber an einigen Stellen zu schwach.

D/F 2004, 88 min
Verleih: Piffl

Genre: Dokumentation, Polit

Stab:
Regie: Eyal Sivan, Audrey Maurion
Stimmen: Axel Prahl, Hanns Zischler

Kinostart: 22.04.04

[ Sylvia Görke ]