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Babooska

... schaut etwas trübe hinter die Kulissen ihres Lebens

Leuchtende Kinderaugen, gefährliche Raubtiere und lustige Clowns sind nur die äußere Fassade des Zirkus. Denn die meisten Menschen ahnen zumindest auch, daß es sich um ein einsames Geschäft handeln kann. Heute hier, nächste Woche dort, keine echte Heimat, wenige neue Menschen. Zwei Filmemachern genügte dieser Kontrast nicht, sie wollten den Mikrokosmos der Manege vollends erforschen und begleiteten den Familienzirkus Gerardi, in dessen Mitte die junge Babooska steht, zwölf Monate lang. Ein Aufwand, dem das Ergebnis nur partiell genügt.

Zwar ist es natürlich ein gut gedachter Ansatz, fast keine Aufnahmen der Shows zu zeigen, obwohl dadurch vielleicht eine treffende Abbildung des Gegensatzes von Schein und Sein möglich gewesen wäre. Stattdessen ruht der Fokus auf Alltäglichkeiten, dies aber zu stark. Ohne Zweifel geschehende und das normale Leben auflockernde Ereignisse fallen weg. Nur ein Stinktier auf der Flucht läßt als Anekdote ahnen, wie bunt die Existenz im Zirkus sicher auch sein kann. Ansonsten scheint es primär Leere und Distanz zu geben, zu häufig beobachtetes Kochen, Essen, Aufwaschen. Daneben beklagen die Gerardis permanent, daß auf der Reise durch Italiens Dörfer kein Mensch zur Vorstellung kommt, was als Illustration des Überlebenskampfes eines Kleinunternehmens reichen muß, dafür allerdings ziemlich wenig scheint.

Manchmal gelingen den Regisseuren dennoch wunderbare Szenen. Wenn Babooska zum Beispiel mit ihrer Schwester Enten füttert und dabei sehnsüchtig über das Meer spricht, blitzt endlich der Mensch hinter unserer kühlen, für ihr Alter zu toughen Artistin auf. Anrührend ebenfalls die Doppelsequenz, in der Mama liebevoll ihren Setzkasten aus- und im neuen Ort wieder einräumt. Es hätte mehr solcher Momente geben dürfen.

Die letzten Bilder zeigen Babooska in der Manege, mit Reifen wirbelnd, lächelnd und eine (bloß äußerliche?) Lebensfreude versprühend, welche ihr sonst fehlt. Sie sind der Ausklang eines nicht eben durchdringenden Blickes hinter die Kulissen, dessen Verdienst jedoch darin besteht, die nahezu tragische Maxime dieser Welt klar zu machen: Die Show muß weitergehen.

Originaltitel: BABOOSKA

Österreich/I 2005, 100 min
Verleih: Salzgeber

Genre: Dokumentation, Schicksal

Darsteller: Babooska Gerardi, Marina de Vincentis, Azzurra Gerardi, Ciccio Gerardi, Patrizia Gerardi

Stab:
Regie: Tizza Covi, Rainer Frimmel
Drehbuch: Tizza Covi, Rainer Frimmel

Kinostart: 22.03.07

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...