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Berlin East Side Gallery

An der Mauer entlang

Vor gut 25 Jahren fiel die Mauer in Berlin, und nur wenige Monate nach diesem historischen Ereignis begannen Künstler aus aller Welt, sie zu bemalen. 106 an der Zahl brachten ihre Gedanken und Gefühle auf denkwürdigen Beton, und so entstand die bis heute existierende East Side Gallery in Berlin Friedrichshain, auf dem längsten noch erhaltenen Mauerstreifen. Aber ebenso, wie die Wiedervereinigung nicht ohne Probleme vonstatten ging und bis heute gesellschaftliche Furchen hinterlassen hat, so verliefen auch die Entwicklung und vor allem der Kampf um den Erhalt dieser Open Air Galerie nicht ohne Höhen und Tiefen.

Die Dokumentarfilmer Karin Kaper und Dirk Szuszies begleiten in ihrem zweistündigen Film vor allem den Restaurierungsprozeß der Gemälde, der 2009 einsetzte, aber auch die Proteste um den Erhalt des Denkmals, das wie alle unbebauten Freiflächen Berlins natürlich in das Interessenfeld von Investoren rückte. So hatte sich 2008 in einem Bürgerentscheid zwar eine deutliche Mehrheit der Berliner Bevölkerung gegen eine Bebauung des Spreeufers und des ehemaligen Todesstreifens an der East Side Gallery ausgesprochen, diese Petition stieß jedoch bei den Stadtplanern auf taube Ohren.

Ohne das löbliche Anliegen, ein Mahnmal deutsch-deutscher Geschichte dokumentarisch zu bewahren, in Frage stellen zu wollen, wirkt die dramaturgische Auswahl der Filmemacher leider oft strukturlos. Sie wollen alles beleuchten und abdecken: die Arbeit der Künstler, den Wert der Freiheit, dabei noch die Stadtplanung kritisieren, Protest zeigen, den Toten, die der Mauer zum Opfer gefallen sind, gedenken, die Begründer des Galerieprojektes zu Wort kommen lassen, Hartz IV-Kritik üben und die Machenschaften um die Vereinsarbeit hinter der Galerie kritisch hinterfragen. Durch diesen gewaltigen Anspruch kratzen sie aber nur an der Oberfläche der Mauer.

Außerdem kann man ja durchaus die Frage vertiefen, die ein junger Künstler im Film ebenfalls kurz aufwirft: Ob es vielleicht gar nicht so originell ist, einen 1990 gestalteten Bilderzyklus einfach wieder zu erneuern? Warum kann die Mauer nicht einfach verfallen, der Beton von der Natur zurückerobert werden? Oder einfach eines Tages eine neue Fläche für andere Künstler bilden? Ist bewahren nicht auch Folklore? Braucht ein Land diese? Man kann dann durchaus alles mit einem heroischen „Ja!“ beantworten. Rein rechtschaffene Filme geraten auf zwei Stunden nämlich ziemlich lang.

D 2015, 126 min
FSK 6
Verleih: Karin Kaper Film

Genre: Dokumentation

Stab:
Regie: Karin Kaper, Dirk Szuszies
Kamera: Karin Kaper, Dirk Szuszies

Kinostart: 26.03.15

[ Susanne Schulz ]