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Berlin Is In Germany

Verspätetes Wendedrama mit Widerhaken

"Was haben Sie eigentlich zur Wende gemacht?" Über eine Dekade nach dem Fall der Berliner Mauer legt der Regisseur und gebürtige Schwabe Hannes Stöhr nicht ohne Selbstironie einer Landsmännin diese Frage in den Mund. Daß sie beim Zuschauer weder müdes Abwinken noch Kabarett-geschultes Gelächter verursacht, garantiert die wunderbare Grundidee seines Drehbuchs: Im Sommer 1989 kam der DDR-Bürger Martin Schulz ins Gefängnis und wird elf Jahre später ins wiedervereinigte Deutschland entlassen, das er eben doch wieder nur aus dem Fernsehen kennt.

Ex-Knacki und Ex-Ossi in Personalunion - Stöhr spielt die Möglichkeiten dieser Konstellation voll aus. Er erzählt vom ersten Besuch im Arbeitsamt, vom ersten Mal West-Auto-Fahren ("Das ist ein Klang!") und wie Martin statt eines Gameboy, den er nur vom Hörensagen kennt, doch lieber einen Fußball kaufen will. Als man seinen Sohn Rokko, der erst nach Martins Inhaftierung geboren wurde, später dennoch mit Gameboy im Bett liegen sieht, weiß man: im Westen sind auch die Verkäuferinnen anders - zumindest überzeugender. Trotz einiger zweifelhafter Requisiten - der gute alte Trabi ist immer noch Sinnbild des untergegangenen Sozialismus, und Marx’ Konterfei auf alten Ost-Geldscheinen verliert auf dem Weg durch zu viele Szenen an Aussagekraft - schafft Stöhr hier eine bittersüße Neu-Berlin-Atmosphäre, in der vor allem Jörg Schüttauf als Martin alle Facetten seiner Figur entfalten kann. Dazu gehören - besonders in der schwierigen Annäherung an Ehefrau Manuela und den gemeinsamen Sohn - kleine Gesten, ungeheure Zartheit und Sensibilität, die seiner patenten und tatkräftigen Physis nur auf den ersten Blick widersprechen.

Leider hat sich der Komponist des Filmscores von der angenehmen Zurückhaltung der Akteure nicht inspirieren lassen und kommentiert Emotionen teilweise so brachial, als gelte es, ein Hollywood-Melodram noch trauriger zu machen.

D 2001, 91 min
Verleih: Piffl

Genre: Tragikomödie

Darsteller: Jörg Schüttauf, Julia Jäger, Carmen-Maja Antoni

Stab:
Regie: Hannes Stöhr
Drehbuch: Hannes Stöhr

Kinostart: 01.11.01

[ Sylvia Görke ]