Originaltitel: CASSE-TETE CHINOIS

F 2013, 117 min
FSK 6
Verleih: StudioCanal

Genre: Komödie, Romantik

Darsteller: Romain Duris, Audrey Tautou, Cécile de France, Kelly Reilly, Sandrine Holt

Stab:
Regie: Cédric Klapisch
Drehbuch: Cédric Klapisch

Kinostart: 01.05.14

Noch keine Bewertung

Beziehungsweise New York

Alte Freunde, neue Ausrutscher, beste Unterhaltung

Wie die Zeit gern mal rast, sieht man unter anderem an den beiden L’AUBERGE ESPAGNOLE-Filmen: Hieß es tatsächlich schon 2003 BARCELONA FÜR EIN JAHR, fand das WIEDERSEHEN IN ST. PETERSBURG wirklich 2005 statt? Oh ja. Cédric Klapisch hat sich nun für den Abschluß seiner Trilogie Zeit gelassen, ist ein bißchen weiter um die Welt gereist und in New York gelandet.

Dort steht Xavier, aktuell circa 40, vor den Trümmern der Ehe mit Wendy. Zehn Jahre Liebe, dann bloß noch Zoff, die Trennung ist sechs Monate her, sie hat bereits einen neuen Galan, Xavier spendet lieber Sperma für Lesbierin Isabelle, um deren Kinderwunsch zu erfüllen. Zwischen ärgerlichen Anwaltsschreiben und peinlich berührenden Samenbankbesuchen bleiben indes immer zwei, drei Minuten, dem eigenen Leben selbstreflexiv starke Tendenz zur Ziellosigkeit zu bescheinigen. Was sich gar zu verstärken droht, als Ex Martine auftaucht – Single, sexuell ausgehungert, affärenbereit. Xavier stürzt ins Chaos!

Rein optisch hat das fortgeschrittene Alter den vier (ehemaligen) Freunden interessante Reife geschenkt, ansonsten fehlt sie allerdings, sehr zum Amüsement des Zuschauers. So wird jedes denkbare Fettnäpfchen bis ganz nach unten ausgelotet, stets trifft man falsche Entscheidungen und kommt trotzdem mit heiler Haut davon, irgendwie. Nicht nur dieses seltsam anmutende Glück verleiht Klapischs schön entspanntem Drittling fast märchenhafte Züge, auch einige Entwicklungen scheinen direkt einem Fabelreich entsprungen – wie Xaviers zwecks Aufenthaltsgenehmigung dringend nötige Heirat, welche sich spontan ergibt. Doch Klapisch versäumt es gleichermaßen nie, den Ton sympathisch zu erden, Realismus zu streuen: Xaviers Sprachlosigkeit seinem Vater gegenüber, Isabelles emotionale Zweifel, angesichts derer ihre eigentlich tolle Beziehung zu zerbrechen droht, Wendys Kampf darum, eine ordentliche Mutter zu sein ... Wer kennt nicht manche Zutat jenes Potpourris der zwischenmenschlichen Unzulänglichkeiten?

Große Gefühle, rührende Szenen, treffende Komik, untermalt von Klapischs Vorliebe für unaufdringliche visuelle Spielereien (bei denen plötzlich kleidungstechnisch benachteiligte Frauen aus Erotikheftchen steigen oder animierte Rückblenden Erinnerungen auffrischen), wären trotzdem nur halb so bezaubernd ohne das bewährte Darstellerquartett, primär die Damen: Audrey Tautous Martine – ein heutzutage eher abgespanntes, dennoch unverändert charmantes Schneewittchen. Cécile de France als Isabelle – ein burschikoser Trampel zum Knuddeln. Und Kelly „Wendy“ Reilly – man kann dieser Zicke einfach kaum böse sein. Da fällt Romain Duris etwas ab, setzt indes dankenswerterweise nicht mehr derart oft auf Dackelblick und Larmoyanz.

Selbst wenn zu erwarten war, daß aus französischen Landen ein superbes Stück Gefühlskino jenseits nervigen Kitsches, aber mit sicheren Pointen sowie dezenten Gedankenschubsern in die hiesigen Lichtspielhäuser herüberflattern würde, legt Klapisch die zukünftige Meßlatte ziemlich hoch. Man vermißt es daher bereits beim Gang aus dem Kinosaal, unser liebgewonnenes Vierer-Gespann. Immerhin gewährt ihm der Regisseur ein rosiges Happy End, quasi der nötige Proviant zur Überwindung aller Stolpersteine auf dem weiteren Weg. Wohin er führt, obliegt der privaten Sicht. Wir wünschen jedenfalls aus tiefstem Herzen gute Reise und maximale Erfolge.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...