Originaltitel: BIRDMAN

USA 2014, 120 min
FSK 12
Verleih: Fox

Genre: Schräg, Tragikomödie

Darsteller: Michael Keaton, Edward Norton, Emma Stone, Naomi Watts, Zack Galifianakis, Andrea Riseborough

Regie: Alejandro Gonzáles Iñárritu

Kinostart: 29.01.15

23 Bewertungen

Birdman

Bretter des Wahnsinns

Dieser Film ist eine Herausforderung. Ein Glück fürs Kino ohnehin und eine fulminante Rückkehr außerdem. Doch der Reihe nach. Erzählt wird die Geschichte des abgehalfterten Ex-Filmstars Riggan Thomson, noch immer den Menschen als Superheld Birdman bekannt, seit den 90ern aber kriegt der nichts mehr gebacken. Carver soll es richten, Raymond Carver, Trinker, Autor und früh verstorbener Meister der Verknappung, von dem die ganz moderne Literatur schon wieder reichlich abkupfert. Thomson arbeitet an der Adaption eines Carver-Textes, und der Broadway muß es schon sein. Und dabei paßt der abgestürzte Carver wirklich perfekt, auch Thomson läßt den Whisky kreisen, dauernd klebt sein nerviges und an frühere Superkräfte erinnerndes Alter Ego im Ohr, Bestehensdruck und Wahnsinn nagen am Künstler, ein Darsteller verunglückt, Riggans Tochter ist deprivationsgeplagt, und als schließlich Hoffnung keimt mit der Ankunft eines neuen Darstellers, weiß man doch schnell, daß dessen übergroße Sehnsucht nach dem so ganz echten Spiel die Bombe endgültig krachen läßt.

Nein und wirklich nein! Alejandro Gonzáles Iñárritu hat keinen klassischen Theaterfilm gedreht, er erzählt gänzlich staubfrei von einem Mann in der Krise. Und tut dies als fast schnittfreie Karussellfahrt innerhalb gezählter Wände, als ätzend-satirisch angelegtes Spiegelbild einer manischen Eitelkeit, einer fast grenzenlosen Sehnsucht nach Anerkennung. Und da schon dieser Thomson einer ist, der zwischen Liebe und Respekt nur schwer unterscheiden kann, versteht man bestens, warum sein labiles Umfeld ebenfalls durch gehörige Klatschen glänzt. Wir begeben uns auf einen schwindelerregenden Exkurs in das knietiefe Elend männlicher Impotenz und künstlerischer Perfektion, die Hand in Hand mit einem Lebensfiasko spazierengeht, und Iñárritu verpackt dies zudem als eine aberwitzige Liebeserklärung an den Broadway und mehr noch an New York, wo der Wahnsinn zuhause scheint.

BIRDMAN versteht sich als Verbeugung vor Kafka, als ein wilder Ritt durch Stile und Vermischungen. Dazu trägt ein beinahe nervtötender Trommeljazz bei, der aber eben die perfekte musikalische Klammer für den künstlerischen Kampf dieses Wracks Thomson ist. Iñárritus Film ist in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung geworden. Der Zuschauer ist aufgerufen, Sehgewohnheiten über den Berg zu werfen, Sympathien sind schwerlich auszumachen, dafür kriegt man aber eben einen schon auch beängstigenden Eindruck, aus welcher Wolle Genies gestrickt sind, und daß die Glitzerwelt von Film und Theater eine ist, in der über Liebe gequatscht wird, zu gleicher sie aber kaum fähig ist. BIRDMAN ist ein wüster, kindischer, philosophischer und manchmal böse entblößender Trip in die Künstlerseele und spart dabei keinesfalls mit Seitenhieben auf die Verblödung der Gesellschaft, da doch zu viele von uns durch den Blick auf Smartphones und Miniscreens ein im Wortsinn total eingeschränktes Weltbild haben. Und wessen Rückkehr soll BIRDMAN nun sein? Na, die von Michael Keaton, der sich in dieser genialischen Verflechtung aus eigener Batman-Karriere und Thomsons Großmannsanflügen mit einer Wucht auf der Leinwand zurückmeldet, die so nicht zu erwarten war.

Deswegen noch mal: BIRDMAN ist mit Sicherheit ein Film, der für Komplettverstörung oder kniefallende Begeisterung sorgen wird. Ein Glücksfall fürs Kino eben, der gallige, pointiert geschriebene Dialoge parat hält. Ein Beispiel? „Was muß im Leben eines Menschen passieren, damit er Kritiker wird?“ Herrlich!

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.