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Birdwatchers

Von früher Eroberung und später Gegenwehr

Schönheit braucht das breite Bild. Deswegen muß diese Geschichte in Cinemascope erzählt werden, wie es der Flug über sattes Grün, rote Erde und den fischreichen Fluß zu Beginn einfordert. Und weil BIRDWATCHERS auch eine Geschichte über Schönheit ist, eine zerstörte und bedrohte Schönheit.

Zerstört hat man die Landschaft, bedroht ist ein Volk. Der Film wird dennoch zu keiner dieser Naturdokus, bei denen man gleich den Synchronsprecher Anthony Hopkins’ hockend im Mangrovenwald vermuten mag, es ist eine Kinogeschichte über Ausbeutung, Raub, Unrecht, Verzweiflung und Wehr. Die Indianer, die man zu Beginn des Films sieht, sind echt, ihre Posen sind es nicht. Sie spannen ihre Bögen, stoßen Geheul aus, die Touristen in den sicher entfernten Booten darf es an dieser Stelle immer kalt erschauern. So sieht es das Programm vor. Sind die Fremden weitergeschippert, streifen die Guarani ihre T-Shirts drüber, zählen die Scheine und springen auf den wartenden Jeep. Sie nutzen eben jede Möglichkeit, ein paar Reais zu verdienen, denn die Erträge durch Agrarwirtschaft, wie sie einmal Lebenseinkunft waren, gibt es so nicht mehr, weil es das Land nicht mehr gibt. Zumindest nicht in den Händen der ursprünglichen Besitzer. Diese Enteignung hat die Indianer in tiefe Depressionen und zum Alkohol getrieben. Doch die Familie um Osvaldo versucht sich zu wehren, baut auf ihrem früheren Grund und dem heutigen Besitz des Weißen Morena eine Bleibe. Bald kommt es zu Auseinandersetzungen – und zu weiteren Selbstmorden unter den Indianern. Der Suizid scheint vielen Guarani der einzige Weg in eine bessere Welt ...

Marco Bechis erzählt von großem Unrecht, von einer Schieflage der Welt und von verkehrten Verhältnissen: Die Ureinwohner haben Schulden bei den Vertreibern, ihre Ritualtänze werden ihrer Anmut durch den Lärm vorbeirauschender Trucks beraubt, und der Fusel stiehlt diesem einst so stolzen Volk den letzten Hauch von Würde. Bechis nimmt sich auch die Zeit, einen konzentrierten Blick in das Alltagsleben der Ureinwohner zu gewähren, er stellt uns an ihre Seite, wenn sie arbeiten, wenn sie faul sind, wenn sie sich vor dem Angué, dem bösen Gott der Toten, fürchten, und wenn sie trauern, was sie kurz und sehr hart tun.

BIRDWATCHERS ist eine Geschichte vom Aufeinanderprall zweier Welten, das alte Amazonien löst sich am modernen Brasilien auf, dem weißen Mann sind dazu alle Mittel gegen die unliebsamen Rückeroberer recht. Dafür spricht die Giftsprühung aus dem Flugzeug, ein perfider Auswuchs eines viel früher begonnenen Genozids. Bechis spielt in seinem wütenden Film auch mit trügerischen Illusionen, so in der zarten Bande zwischen Osvaldo und der Tochter des Großgrundbesitzers. Das mag ein erster Schritt im Geiste nachwachsender Generationen sein, dieser kann vorerst jedoch nur hoffnungslos enden. Die Zeit hat die Gräben zu tief ausgespült, die einen haben nichts und wollen ein wenig zurück, die anderen haben viel und wollen davon nichts abgeben.

Bechis’ Herz schlägt eindeutig für die rechtmäßigen Verwalter dieses schönen Landes, er kann und darf daher – mit Poesie, starken Bildern und einer aufwühlenden Geschichte – mahnen. Das reiche Mädchen wird weggebracht, und die Schreie des jungen Indios hallen noch lange noch. Doch noch ist auch er im Irrglauben, wenn er mit Stolz und in tiefem Trotz Morena zuruft: „Ich habe gewonnen, du hast verloren!“

Originaltitel: BIRDWATCHERS

I/Brasilien 2009, 108 min
Verleih: Pandora

Genre: Drama

Darsteller: Abrísio da Silva Pedro, Alicélia Batista Cabreira

Regie: Marco Bechis

Kinostart: 30.07.09

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.