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Blessing Bell

"Wenn Worte überflüssig werden ...

... weil der Augenblick bis an den Rand mit Sinn gefüllt ist, beginnt das Leben, unwiderstehlich von sich zu erzählen, und führt uns mitten hinein in faszinierende Geschichten." Besitzer des Albums "Weltreise" von Soundtüftler Schiller kennen das Zitat. Man könnte annehmen, es sei ausschließlich für BLESSING BELL erdacht worden.

Der neue Morgen bringt Igarashi nichts Gutes; er ist ab sofort arbeitslos. Nun mit mehr Zeit ausgestattet, als jemals erwünscht, läuft der vom Pech Verfolgte einfach los. Gleichmütig, stumm, ohne konkretes Ziel, hinein in den von Schicksalen bevölkerten Tokioter Alltag: Ein krebskranker Kneipengast will "unnützes" Geld verschenken, trifft jedoch lediglich auf brüskierendes Mitleid. Ein lebensgefährlich verletzter Yakuza hadert mit dem Sinn menschlichen Lebens. Einem Selbstmörder mangelt es an Mut, die letzte getroffene Entscheidung auch umzusetzen. Der Geist eines alten Mannes, um die geliebte Gattin besorgt, erbittet Hilfe. Und und und ...

Igarashi saugt, unverändert schweigend, alle dargelegten Ausschnitte individueller Existenz auf, wird einige von ihnen zu Ende führen (man denke an die brutale Bestrafung einer untreuen Ehefrau), manchen Bekanntschaften Retter sein, anderen Todesengel. Was indes nichts daran ändert, daß sie alle letztlich nichts weiter als aneinander gereihte Steine auf dem Weg in die – nicht ausschließlich kommunikative – Sackgasse sein können. Da setzt die sowieso recht karge Tonspur zeitweise vollständig aus und zuckt kein einziger Muskel in Igarashis Gesicht, obwohl seine Umwelt fortwährend aus den Fugen gerät.

Umso überraschender, daß gegen Ende ein unserem geläuterten Helden doch den Willen zu sprechen schenkender Drehbuch-Schlenker Ort und Zeit positiv umzukehren vermag. Ein versöhnlicher Ausklang für dieses fast meditative Filmereignis voller Zufälle, in dem beiläufige Gewalt jeden ohnehin nur gelinden Anflug pathetischer Selbstgeißelung einzelner Figuren schon im Keim erstickt, während Schönheit, Häßlichkeit, Glück und Unglück einander ebenso bedingen wie leise Hoffnung.

Aber Vorsicht! Er hallt noch lange nach: Der ohrenbetäubende Klang der Stille, des nicht Gesagten.

Originaltitel: KOFUKU NO KANE

J 2002, 87 min
Verleih: REM

Genre: Drama

Darsteller: Susumu Terajima, Naomi Nishida, Seijun Suzuki, Ryoko Shinohara, Tooru Masuoka

Stab:
Regie: Sabu
Drehbuch: Sabu

Kinostart: 10.06.04

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...