Originaltitel: BRITT-MARIE VAR HÄR

S 2019, 98 min
FSK 0
Verleih: Prokino

Genre: Drama, Literaturverfilmung

Darsteller: Pernilla August, Peter Haber, Anders Mossling

Regie: Tuva Novotny

Kinostart: 13.06.19

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Britt-Marie war hier

... hinterließ aber kaum Spuren

Das deutsche Poster schreibt sich Motivation auf die Fahnen und mahnt freundlich: „Es ist nie zu spät für ein neues Leben.“ Was stimmt, nur darf man fragen: Lohnt es immer, der unzähligsten Umsetzung dieses klassischen Filmsujets zuzusehen? Verhandeln wir beantwortend den Fall Britt-Marie.

Eine unauffällige Frau, 63, überaus pedantisch, deren Existenz aus Routine und Struktur besteht. Tägliches Highlight: Essenszubereitung für den desinteressierten Gatten Kent, Britt-Marie fordert dann auch gleich ein Feedback bezüglich der kulinarischen Qualität. Eingegraben hängen ihre Mundwinkel auf Halbmast, die Augenbrauen flankieren eine steile Zornesfalte. Als Kent einen Herzinfarkt erleidet, fliegt spontan seine Untreue auf, die Betrogene flieht, arbeitet bar jeder Erfahrung im Kleinstkaff Borg, leitet ziemlich illusionslose Gören beim Fußball an.

Nicht erst seit Veröffentlichung der Buchvorlage bekanntes thematisches Terrain, trotzdem scharren die Pferdefüße anderswo, beginnend mit der Protagonistin. Sicher, Verlust und Trauma während der Kindheit wiegen schwer, die Erinnerung daran aber zur Begründung herzunehmen, sich 40 Jahre nicht bloß in einer klirrend kalten Ehe zu verstecken, sondern zudem ohne gezogene Konsequenzen lange schon vom Bruch selbiger zu wissen, jedoch die Wahrheit entschlossen zu ignorieren, läßt sämtlichen Respekt vor der Figur versacken. Da ist nicht mal Mitleid drin, zumal Britt-Maries angetrauter Waschlappen zwecks nachdrücklicher Negativierung schlicht lächerlich Klischiertes verkünden muß („Ich brauche Dich – zu Hause!“), ganz zu schweigen von der 08/15-Konkurrentin, einer Abziehbild-Blondine, Extrem-Ausschnitt, Sonnenbank-Knusperhaut.

Man hört, der Roman punkte durch feinen brechenden Witz, jene Adaption fährt hingegen vollen Ernst auf, weshalb Ingmar-Bergman-Darstellerin Pernilla „Britt-Marie“ August adäquat stets dramatisch dreinschaut. Ihr fehlt relativierendes Augenzwinkern ebenso wie der Inszenierung, welche potentiell spannende Nebencharaktere verheizt, ziellos noch schnell ein amouröses Füllsel reinquetscht, Wackelkamera dazu nutzt, sich gerade zusammenballende Probleme vorzugaukeln. Daß die komplett überraschungsfrei verpuffen, wäre kaum zu kritisieren – wenn eine emotionale Bindung zum Geschehen auf der Leinwand bestünde, Putzfreak Britt-Marie nicht alle Gefühlsflecke weggeschrubbt hätte.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...