Originaltitel: THE BROTHERS GRIMM

USA 2005, 120 min
Verleih: Concorde

Genre: Fantasy, Märchen

Darsteller: Matt Damon, Heath Ledger, Monica Bellucci, Peter Stormare, Jonathan Pryce

Regie: Terry Gilliam

Kinostart: 06.10.05

1 Bewertung

Brothers Grimm

Ticket für die Reise ins Abenteuerland

Ausgerechnet das Schaukelpferdchen opferte der kleine Will dem Feuer, als seine Familie einst hungerte und fror. Ihm lag schon jung das Potential kindlicher Gruselphantasie im Blut. Und sein Bruder brachte statt der für ihre Mutter so dringend benötigten Medizin eine Handvoll magischer Bohnen. Magischer was? Genauso entsetzt ist Will über die Träumereien seines Bruders. Das soll sich auch später nicht ändern, wenn die zwei Knaben, mittlerweile erwachsen, es zu einigem Ruhm gebracht haben. Freilich noch nicht mit der Schriftstellerei, dafür mit inszenierten Hexenvertreibungen und allerhand Geisterverscheuchung. Will ist noch immer der mit dem wachen Verstand, und Jakob, die andere Hälfte des tricksenden Gespanns der Gebrüder Grimm, bleibt zeitlebens das Träumerle. Und das Landvolk ist mit Budenzauber ohnehin schnell zu beeindrucken. Doch eines Tages verschlägt es die kleinen Gauner nach Marbaden. Hier verschwanden schon zehn Mädchen in einem düsteren, verwunschenen Wald. Zu den (prominenteren) Opfern gehören ein rotbekleidetes Gör und die kleine Gretel, die auf Pfefferkuchen schwor. Die völlig überforderten Grimms machen sich auf in den Wald, gemeinsam mit der Dorfschönen Angelika, die dort eine ganz familiäre Rechnung zu begleichen hat. Auch hier sind die Rollen schnell verteilt: die Grimms quatschen, Angelika legt los ...

Was sich nun dem Zuschauer darbietet, ist einmalig. Terry Gilliam, der wohl letzte große Verrückte des Kinos, hat eine opulente Fabelwelt geschaffen, die einen Großteil sogenannter Fantasy-Filme wie erste Fingerübungen aussehen läßt. Er schickt uns auf eine temporeiche, oft auch gruselige Reise ins Reich der Phantasie, hinein ins Getümmel mit bösen Wölfen, grimmigen Bäumen mit fiesen Fangarmen, bedrohlichen Brunnen, verhexten Pferden, einem geheimnisvollen Turm und einer unendlich bösen Königin darin. Einstweilen noch im Schönheitsschlaf, im Wortsinn, denn das Biest ist eigentlich dem Verwelken geweiht und braucht für ewige Jugend das Blut dieser Mädchen. Immer wieder blitzt der schräge Humor Gilliams auf, etwa wenn Will eine Kröte ablecken muß, damit sie ihm den Weg aus dem Horrorwald zeigt. Um die Richtung schert sich das warzige Vieh plötzlich nicht mehr. Genießerisch legt es sich erst mal auf den Rücken ... Und überhaupt sehen die Grimms in ihren merkwürdigen Rüstungen wie Ritter aus dem Monty-Python-Fundus aus.

Schlichtweg genial sind einige der Attacken durch die böse Königin gelungen. So wenn ein kleines Mädchen quasi aus dem Maul eines Pferdes heraus mit einem klebrigen Spinnennetz gefangen und tief in den Schlund des Tieres gezogen wird. Die Kamera geht da eben mal ein Stück mit rein. Das ist schon auch eklig, aber tricktechnisch umwerfend. Ebenso wenn ein anderes Kind von einem Teerraben entsetzlich entstellt wird. Und und und ... Gilliams überbordende Phantasie kennt scheinbar keine Grenzen, sehr zur Freude des Betrachters. Übrigens: daß Gilliam sich nun keinesfalls sklavisch an die "wahre" Geschichte der Grimms hält, und daß sich auch bisweilen die Logik in den Fangarmen der Bäume verabschiedet, all dies tut dem Film keinerlei Abbruch. Diese Reise ist ohnehin mehr Abenteuerurlaub als Kino im herkömmlichen Sinn. Und wer Monica Bellucci als böse Hexenkönigin mal so richtig stinksauer sehen will, kommt auch auf seine Kosten. Schon schön, daß dieser Gilliamsche Wahnsinn wieder da ist.

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.