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Bye Bye Blackbird

Was für ein Zirkus!

Eine filmästhetische Gewitterfront kommt auf uns zu. Und Obacht, es regnet kunstverdächtiges Schwarzweiß. Schwermütige Seiltänzer, bärtige Frauen, verwachsene Zwerge, tanzender Manegenstaub und duftender Künstlerschweiß. Mit ihnen rieselt der kräftige Niederschlag einer untergegangenen Welt zu Boden. Derek Jacobi, Michael Lonsdale und nicht zuletzt James Thierree, ein Enkel von Charlie Chaplin, hat sich diese melancholische Zirkusfabel als Galionsfiguren vor den Bug geschnallt. Fabelhaft sind sie alle, eindrücklich auf ihre Weise, aber doch ohne nachhaltige Wirkung.

Erzählt wird die Geschichte von einem eifersüchtigen Zirkusdirektor, seinen ungleichen Töchtern und einem traumatisierten Luftikus. Dem jungen Mann kam während eines Arbeits-einsatzes in Wolkenkratzerhöhe der Kollege abhanden. Einfach so runtergefallen von einem Eisenträger. Nun sucht Josef Anschluß in einem Cirque de la Tristesse, einem traurigen, versunkenen Ort ohne Bodenhaftung. Doch auch Alice, die engelsgleiche Trapezpartnerin, entschwindet dem gelenkigen Helden ins ewige Zwielicht der Scheinwerfer, das wir nur aus romantischen Gründen nicht Orkus nennen wollen. Fortan hockt der mit schwarzen Federn geschmückte Trauervogel hoch oben im Geäst des Zirkuszeltes. Und er piept, im übertragenen Sinne, zum Herzzerreißen.

Ein Traum-Paris, irgendwo um die vorletzte Jahrhundertwende, eine Traum-Filmsprache aus Buster Keaton, Märchenbuch und altertümelnder Plakatästhetik - das ist die geschmackvolle, für jeden Anlaß angemessene Verpackung, in der sich die dürre Handlung unters Volk zu bringen sucht. Sie wird Abnehmer finden, schon wegen der visuellen Versiertheit. Denn das poetische Odeur aus Schwindsucht und Höhenrausch funktioniert wie eine Fliegenfalle.

Während man aber den Bildern, den süßen, auf den Leim geht, klebt die Fabel in der Zirkuskuppel fest: ratlos.Im kunsthandwerklich sauber gestalteten Filmgelände sind die intellektuellen Löcher kaum noch zu übermalen. Die Tour de Nostalgie kommt sozusagen schnelll an ihre Grenzen, nämlich dort, wo der Augenschmaus aufhört und der Hunger beginnt.

Originaltitel: BYE BYE BLACKBIRD

D/Luxemburg/F/GB 2005, 99 min
Verleih: Reverse Angle

Genre: Drama

Darsteller: James Thierree, Derek Jacobi, Izabella Miko, Michael Lonsdale

Regie: Robinson Savary

Kinostart: 30.11.06

[ Sylvia Görke ]