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Code 46

Die Zukunft babelt

Liebe in Zeiten der entschlüsselten DNA, so kann man Michael Winterbottoms neuestes Thema wohl auf den Punkt bringen. Seine Konstruktion einer Zukunft aus neuen Regeln und archaischen Emotionen folgt dabei, visuell durchaus erfindungsreich und elegant, einer besonderen Science-Fiction-Tradition, in der das Überübermorgen die zutiefst pessimistische und seltsam vertraute Vision eines Demnächst ist. Dieses Demnächst besteht hier aus einem Speckgürtel von entnationalisierten Mega-Monster-Riesenmetropolen und dem "al fuera", einer vergessenen Welt aus Wüste drumherum. Wie in seinem ausgesprochen heutigen Flüchtlingsdrama IN THIS WORLD ist auch in dieser Zukunft das Reisen eine Frage der richtigen Papiere. Die heißen Papelles - eines der vielen Fremd-, Neu- und Lehnwörter aller Herren Sprachen, mit denen sich das Zukunftsvolk verständigt.

William, ein Versicherungsagent und Familienvater aus Seattle, wird nach Shanghai beordert, um einen Betrugsfall um jene Gen-Ausweise aufzuklären. Maria Gonzales ist die Schuldige, wie ihm sein Empathie-Virus (Hellsicht, verabreicht in Tablettenform) verrät. Er schweigt, aus Liebe, einer schnell entbrannten, einverständlichen Liebe ... die eben nicht von ungefähr, sondern einer verhängnisvollen genetischen Übereinstimmung kommt. Ein Kind wird gezeugt und behördlich entsorgt. Auch im Futur ist futuristischer Inzest verboten, der Code 46 regelt das streng.

Man kann Winterbottom interessiert beim Fantasieren zusehen - über Fuffzig- oder Hundertprozentige inzestuöse Geschwisterschaft zwischen Generationen, über in vitro und ex aequo, eine indiskret gewordene Biologie, babylonische Hybris samt Sprachverwirrung. Im Wesentlichen aber befindet er sich im alten Gefecht mit Sinn und Sinnlichkeit. Ersteres geht dann und wann komplett verloren. Die Sinnlichkeit hingegen, in einem dramaturgischen Schlenker auch noch ödipal verkompliziert, ist zu erkältet und prätentiös verschnupft, um am tatsächlich eindrucksvollen Liebespaar Robbins/Morton ein bißchen warm zu werden.

Winterbottom macht sich hier um modernes Kunsthandwerk verdient - schön gedrechselt, in manchem Detail inspirierend und voller filigraner Verzierungen. Aber es bleibt die Nähe zum cineastischen Nippes.

Originaltitel: CODE 46

GB 2003, 92 min
Verleih: Tiberius

Genre: Science Fiction, Drama, Liebe

Darsteller: Tim Robbins, Samantha Morton, Om Puri, David Fahm

Regie: Michael Winterbottom

Kinostart: 03.03.05

[ Sylvia Görke ]