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Das MfS – Alltag einer Behörde

Haben böse Menschen Lieder?

Von "prächtigen Kollektiven" schwärmen diese älteren Herren, von faszinierender, abwechslungsreicher Tätigkeit. Um "Sauberkeit, sauberen Umgang" sei es damals gegangen. Doch auch wenn das nach einem Arbeitsplatz klingt, für den so mancher Reinlichkeitsfreak und Gemütsmensch einen Mord begehen würde - solch blumige Stellenbeschreibungen haben meist einen Haken. Hier plaudert nicht die Belegschaft eines sympathischen Service-Unternehmens aus der Firmengeschichte, sondern die ehemalige Mitarbeiterschaft des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR.

Seit über zehn Jahren arbeiten sich Historiker, Bundesbeamte und Privatleute nunmehr an den Aktenbergen des MfS ab, die Quellenlage ist sozusagen ganz ordentlich. Dennoch bleibt bis heute Unsicherheit, welcher der Legenden um das Wesen dieser Behörde der Vorzug zu geben sei. Frappierende Blödheit, Gestapo-Methoden, Pedanten-Irrsinn? Klemke und Lorenzen finden in ihrer Stasi-Doku alles und zugleich nichts davon bestätigt. Die Mielke-Stellvertreter Neiber und Schwanitz, IM-Führungsoffiziere, insgesamt ein knappes Dutzend hochrangiger Mitarbeiter brachten sie in häuslicher Umgebung, zwischen ihren Grünpflanzen und Couchgarnituren zum Erzählen. Wie wurde beschattet, wie zersetzt, wie verhaftet, wie verhört? Was sie erfahren, ergänzen die Interviewer mit eingesprochenen Fakten, Abhörprotokollen, Überwachungsbändern und einigen leider ungenügend gekennzeichneten Bild- und Tonaufnahmen, reihen alles in Kapitel, die sich an den geschilderten operativen Vorgängen orientieren.

Spießiges, Kurioses, Dämliches und Beängstigendes finden sie, aber Neues kaum. Die gewählte "Täterperspektive" hat Tücken, weil sie sich ohne nachzufragen auf ein Gemeinverständnis von gut oder böse, von Verbrechen oder "Arbeit im Dienste des richtigen Staates" verläßt. Die hier reden, verharmlosen, schwärmen, haben irgendwie immer Recht - aus ihrer Sicht nämlich. So kann man über verbale Provokationen lachen, schimpfen, oder sich wundern (Warum eigentlich?), daß Erich Mielke so furchtbar gern gesungen hat. Zum Nach- und Weiterdenken reicht das nicht.

D 2002, 90 min
Verleih: Salzgeber

Genre: Dokumentation, Polit

Stab:
Regie: Christian Klemke, Jan N. Lorenzen
Drehbuch: Christian Klemke, Jan N. Lorenzen

Kinostart: 03.04.03

[ Sylvia Görke ]