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Das Orangenmädchen

Bestseller-Adaption als Hohelied unsterblicher Liebe

Der Tag soll für Jan Olav unvergeßlich werden: In der Straßenbahn begegnet ihm, bepackt mit einer Tüte voller Orangen, die Liebe seines Lebens. Das schöne Mädchen, das seinem Blick schnell wieder entschwindet, hinterläßt geheimnisvolle Spuren, und Jan Olavs Welt scheint plötzlich wie verzaubert. Monatelang jagt er der jungen Frau, flüchtig auftauchenden Bildern ihres roten Mantels und dem Orange der schicksalhaften Früchte hinterher. Beinahe scheint es, als verfolge er ein Trugbild seiner Phantasie. Und dennoch: Jan Olav glaubt fest an eine Wiederbegegnung.

Viele Jahre später erhält der junge Georg zum Geburtstag einen mehrteiligen Brief seines lange verstorbenen Vaters. Auf die so unvermutet eintreffende, an ihn adressierte Botschaft reagiert er zunächst ablehnend, während einer Reise durch eine weite winterliche Landschaft beginnt er aber doch mit dem Lesen. Die Zeilen des Vaters schließlich bergen nicht nur Worte des Abschieds für den Sohn, sie erzählen zugleich von der Suche nach dem Orangenmädchen und einer großen Liebe. Das Eintauchen in die Lebensgeschichte seines Vaters verändert Georg, und die Reise offenbart ihm Visionen für die eigene Zukunft.

Eva Dahr adaptiert Jostein Gaarders gleichnamigen Bestseller-Roman als romantisches Märchen, das vor allem eines ist – eine Hommage an die große Liebe. Die Verschränkung der retrospektiven (und dabei unsterblichen) Liebesgeschichte mit der Initiationsreise des jungen Georg ist sicher inszeniert, und visuell unterscheiden ausgewählte Farb- und Bildkonzepte Handlungs- und Zeitebenen, unterstreichen zudem den Wechsel zwischen realer Welt und phantastischer. Abgesehen vom erzählerischen Einwurf, der die Leidenschaft Georgs für Astronomie zum Thema hat, bleibt die der Vorlage bezeugte „kosmische Perspektive“ für den Film nur ein gewagtes Statement.

Mag es an der romantisierenden, anderes übertünchenden Bildgewalt der Liebesgeschichte liegen, an einer so flüchtigen Charakteristik wie der des Orangenmädchens oder in unausgegorenen dramaturgischen Wendungen begründet sein, so muß Georg nicht nur zu sich selbst finden, sondern sich in eine Reisebekanntschaft verlieben, die Verfilmung bleibt in jedem Fall erdverbunden. Sie ist schlicht und dennoch ergreifend.

Originaltitel: APPELSINPIKEN

D/Norwegen/Spanien 2009, 84 min
FSK 6
Verleih: Neue Visionen

Genre: Literaturverfilmung, Liebe, Drama

Darsteller: Annie Dahr Nygaard, Mikkel Bratt Silset, Harald Thompson Rosenstrøm

Regie: Eva Dahr

Kinostart: 10.12.09

[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.