D 2019, 115 min
FSK 12
Verleih: Constantin

Genre: Komödie, Drama

Darsteller: Elyas M'Barek, Karoline Herfurth, Florian David Fitz, Jella Haase, Frederick Lau, Jessica Schwarz, Wotan Wilke Möhring

Regie: Bora Dagtekin

Kinostart: 31.10.19

20 Bewertungen

Das perfekte Geheimnis

Freisprechen und Freidrehen

Wer hat’s erfunden? Nicht die Schweizer: Nachdem sich PERFETTI SCONOSCIUTI anno 2016 im italienischen Kino zum Selbstläufer entwickelte, sprangen 18 Länder auf den rasant rasenden Zug, um eigene Remakes zu drehen. Einen Guiness-Buch-Eintrag später stoppt das Ganze nun endlich bei uns, FACK JU GÖHTE-Regisseur Bora Dagtekin schrieb den Fahrplan und heuerte die Passagiere an – ein deutscher All-Star Cast verkörpert vier Kumpel aus Kindertagen inklusive Partnerinnen während eines abendlichen Essens.

Es treffen aufeinander: Eva und Rocco, Therapeutin und Schönheitschirurg, finanzielle Oberklasse, weitläufige Bude, pubertierende Tochter, Gereiztheiten. Carlotta und Leo, solide Mittelschicht, halbjunge Zwillingseltern, beide gestreßt. Bianca und Simon, alternative Lebenskünstler zwischen großer Klappe und tiefer Entspannung. Final Pepe, zum Depressionsschub neigender Lehrer mit albernem Hipster-Dutt, die Neufreundin entschuldigt sich, Magen-Darm. Sieben heterogene Charaktere, sieben mimische Ansätze, man kann Studien treiben: Beispielsweise knistert Wotan Wilke Möhrings Vortrag immer leicht papieren, parallel läßt Karoline Herfurth die Rolle nach kurzer Aufwärmphase einfach raus und laufen, man kennt’s. Hingegen vermag Jessica Schwarz zu überraschen, schenkt Eva neben grundfrustrierter Biestigkeit Grandezza, Stil, stocksteifes Rückgrat. Eine ewig Hadernde, aus deren grundfrustriertem Mund früh Bitteres raunt à la: „Wird ja vielleicht doch noch ’n spannender Abend …“ Dies ihrer Anregung folgend, man möge die Smartphones auf den Tisch legen, ankommende Nachrichten verlesen, eingehende Anrufe laut stellen. Gezischt, getan.

Nietzsche informierte korrekt, daß alle verschwiegenen Wahrheiten zu Gift gerinnen, Eskalation bleibt da natürlich nicht aus, und weil die menschliche Natur kaum etwas mehr goutiert als Schadenfreude, dürfte ein weiterer Publikumserfolg absolut gesetzt sein. Er käme indes über weite Strecken tatsächlich sehr verdient, Dagtekins Rotzigkeit macht unverändert heftig Laune. Wenn vorerst die Damen zu Tapas Dammrisse thematisieren oder der geplagte Leo klagt, wie „ökig“ er auftreten muß, damit ihn auf dem Spielplatz argwöhnische Helikoptermütter akzeptieren, ist das überspitzt, ja. Aber eben saukomisch. Und es reicht allerhand Werkzeug für besagte Zuspitzung, plötzlich gellen gewichtige Fragen: Weshalb klingelt gerade jetzt Maus an und kommuniziert die Ergebnisse angestrengter Grübeleien? Wohin den ungenießbaren Fraß entsorgen? Wird heute noch jemand „quer durch die Wand gebumst“, und wo verläuft eigentlich ein gedanklicher Weg von Homosexualität zu Serienkillern?

Wiederholen wir’s: wirklich witzig, dieser ohne Atempausen ausgefochtene Schlagabtausch. Doch quasi zwangsläufig versinkt der Spaß schließlich im Ernst, hier zweifellos gutem Willen zur moralischen Integrität, weswegen die herrlich zickigen Bauch- und Nackenhiebe irgendwann arg dramatischen Drive kriegen. Geht per se okay, inhaltlich sowieso, findet allerdings kein rechtes Maß, übertönt vergleichsweise dumpf die bislang angenehme Lockerheit. Das bremst vorübergehend ziemlich aus, ehe Dagtekin letztlich auch das abfängt, die Reise frischen Schwung aufnimmt und sicher im Ziel (ergo der Zuschauergunst) endet.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...