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Das System – Alles verstehen heißt alles verzeihen

… aber auch alles gut finden?

Politthriller aus Deutschland sind selten, sie besitzen keine Tradition hierzulande. DAS SYSTEM wagt nun einen heimatlichen Genrefilm auf vermintem Geschichtsgelände: alte Stasi-Seilschaften, die sich auch in kapitalistischen Zeiten ausgezeichnet bewähren. Erzählt wird die Story von Mike, einem orientierungslosen Mann aus einem Rostocker Plattenbau. Geboren in den 80ern, ist die DDR für ihn gleichbedeutend mit dem Schweigen seiner Mutter über diese Zeit. Mike bringt den Tag mit Einbrüchen herum, bis der zwielichtige Geschäftsmann Böhm seinen Weg kreuzt. Der stellt sich als ehemaliger Freund seines toten Vaters vor und führt ihn ein in die Welt der omnipotenten Männer in grauen Anzügen und dicken Autos. Der Job des ehemaligen Stasi-Agenten besteht darin, seinen Partnern lukrative Aufträge beim Bau der russischen Gas-Pipeline zuzuschanzen, öffentliche Ausschreibung hin oder her. Mike ist zunächst fasziniert von diesem Umfeld, doch dann erfährt er, daß Böhm ihm nicht die ganze Wahrheit über die Beziehung zu seinem Vater erzählt hat.

Der Film ist ein ambitionierter Versuch, politische Verwicklungen mit den Mitteln des Thrillers aufzuarbeiten. Es ist der erste Spielfilm von Marc Bauder, der sich in seinen früheren dokumentarischen Arbeiten bereits mehrfach mit DDR-Geschichte, der Kontinuität von Eliten und dem Agieren von Wirtschaftslenkern befaßt hat. So sind die realen Hintergründe des Films gut recherchiert, wenn auch der Zuschauer keine wirklich neuen Erkenntnisse dabei gewinnt. Denn daß das System der öffentlichen Ausschreibungen korruptionsanfällig ist, und daß mancher mit dunkler Vergangenheit heute eine reine Weste hat, dürfte nur die überraschen, die sämtliche Medien scheuen.

Was nun den fiktionalen Anteil angeht, Figurenzeichnung und Bildsprache, kommt DAS SYSTEM nicht über besseres „Tatort“-Niveau hinaus. Das ist zwar alles solide gemacht, aber beim Zuschauen beschleicht einen das Gefühl, all diese Dialoge schon zu oft gehört zu haben. Und auch diese Figurenkonstellationen bereits auswendig zu kennen: der naiv-rebellische Sohn, der entzauberte Verführer, die verhärmte Mutter, der abwesende Vater.

Und immerzu spukt einem die Frage durch den Kopf: Was für einen Dokumentarfilm hätte Bauder wohl aus dem Stoff machen können?

D 2011, 92 min
Verleih: Filmlichter

Genre: Drama, Krimi

Darsteller: Jacob Matschenz, Bernhard Schütz, Jenny Schily

Regie: Marc Bauder

Kinostart: 12.01.12

[ Dörthe Gromes ]