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Der Dieb des Lichts

Zeitalter der Aufhellung

Hochspannungsleitungen gehören zum ikonographischen Repertoire der Filmkunst aus der kulturellen Ferne. Sie stehen als universelle Piktogramme für die Ariadnefäden zwischen althergebrachten Lebensweisen und neuhergebrachten Selbstverständlichkeiten – manchmal lose schwingend zwischen Hoffnung und Ohnmacht, manchmal bis zum Zerreißen gespannt. Der kirgisische Regisseur Aktan Arym Kubat erzählt von solch einem Ort. Es scheint, daß nirgendwo sonst Schlichtes, Ruppiges und Poetisches mit einem geradezu mythischen Deutungshorizont in derselben Geschichte, ja im selben Bild zu vereinen wären. Und man ahnt, daß nur hier, in dieser von der Sonne gebleichten Filmlandschaft, solche besonderen Kinohelden zur Welt zu bringen sind.

Svet-Ake, „Herr Licht“, wird Kubats zeitgenössischer Prometheus mit dem freundlichen Gesicht und den melancholischen Augen von den Nachbarn genannt. Darin klingt Ehrfurcht mit. Denn der Elektriker hält nicht nur die Leitungen seines wie vom Steppenwind zwischen die Berge gewehten Heimatdorfes in der Hand, sondern immer mehr auch die Geschicke der Bewohner. Ihre Sorgen steigen mit den Strompreisen. Also kramt Herr Licht in seinem Werkzeugkasten, greift den Stromzählern beherzt in die Eingeweide und läßt sie rückwärts laufen. Den prompt folgenden Rausschmiß trägt er mit Fassung. Seine Sorgen sind andere, zum Beispiel nach den vier Töchtern endlich auch einen Sohn zeugen zu können. Seine Träume sind kühner: Sie handeln von einem riesigen Windpark, Freiheit, Autonomie. Den Anfang macht ein selbstgebasteltes, wackeliges Ungetüm auf der Rückseite des Hauses, das immerhin eine halbblinde Glühlampe zum Leuchten bringt ...

Aktan Arym Kubat läßt die neue Zeit aufmarschieren – im Schafspelz von kirgisischen und chinesischen Investoren, motorisierte Heilsbringer mit unklaren Absichten. Und er bringt die etwas klägliche Gegenoffensive in Stellung – ein Ältestenrat mit den typischen, in der Zusammenschau wie ein Meer aus anachronistischer Gemächlichkeit wogenden traditionellen Hüten. Die Fronten sind klar und geben den Rahmen für ein in manchen Momenten berauschendes, ein andermal tieftrauriges oder eigentümlich komisches Steppenmärchen des Übergangs. Wohin, ist noch nicht ganz ausgemacht, oder?

Originaltitel: SVET-AKE

Kirgisistan/D/NL/F 2010, 80 min
FSK 12
Verleih: Neue Visionen

Genre: Tragikomödie

Darsteller: Aktan Arym Kubat, Taalaikan Abazova, Askat Sulaimanov

Regie: Aktan Arym Kubat

Kinostart: 14.04.11

[ Sylvia Görke ]