Originaltitel: LE CIEL ATTENDRA

F 2016, 105 min
FSK 12
Verleih: Neue Visionen

Genre: Drama

Darsteller: Noémie Merlant, Naomi Amarger, Sandrine Bonnaire

Regie: Marie-Castille Mention-Schaar

Kinostart: 23.03.17

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Der Himmel wird warten

Radikalisierung, eine Bauanleitung!

Zynismus in der Beurteilung dieses Films verbietet sich schon aufgrund seiner enorm brisanten und tagesaktuellen Thematik. Trotzdem fällt es schwer, nicht in die Zauberkiste der etwas derberen Wortkonstruktionen zu greifen, um DER HIMMEL WIRD WARTEN zu beschreiben. Schon die Überschrift war ein erster Versuch.

Die Erwartungen sind nicht sehr hoch. DIE SCHÜLER DER MADAME ANNE entbehrte als Vorgängerfilm von Marie-Castille Mention-Schaar trotz auch hier relevanten Sujets nicht eines offensichtlichen Bruders mit Namen Leichtfuß. Über ihr WILLKOMMEN IN DER BRETAGNE sei nochmals der Lodenmantel des Schweigens gehüllt. Nun aber nimmt sich Mention-Schaar die Radikalisierung junger Frauen vor. Alles ist zweifelsfrei vom Alltag bezeugt, aber zu oberflächlich komprimiert.

Zwei 17jährige Französinnen sind ins Visier von Terroristen geraten, sie wurden erfolgreich angeworben. Der Dschihad ruft, und der Boden dafür ist bei Mélanie und Sonia unterschiedlich bestellt. In seiner komplexen Konsistenz aber wird er nicht allzu wichtig genommen. Ein kapitaler Fehler! Mélanie „flutscht“ quasi über Facebook hinein, lebte bislang mit ihrer Mutter allein, liebte ihre Großmutter und ihr Cello. Als Oma stirbt, bleibt vorerst nur das Instrument. Und das kann man, wie zu sehen ist, notfalls auch mit Niqab spielen.

Sonia glaubt, daß sie bald als muslimische Märtyrerin viele Menschen retten wird. Der Film beginnt mit ihrer Festnahme und der folgenden Freilassung gegen Auflagen. Ihre Familie ist entsetzt, scheint aber intakt: Der Vater bemüht sich, die Mutter bemüht sich, die kleine Schwester müht sich dort durch.

Immer wieder wird klar, daß sich DER HIMMEL WIRD WARTEN hätte von Behauptungen selbst befreien können, indem sich Mention-Schaar auf die wesentlich interessantere und weniger von Didaktik und Klischee beladene Figur der Sonia konzentriert hätte. Denn bei ihr fließt das verzweifelte Ringen der Eltern ein, Hilfe von außen anzunehmen, selbst eine Position zu suchen, um neuen Zugang zur Tochter zu werben. Demgegenüber agiert Mélanies Mutter im Wissen, daß ihr Kind schon in Syrien ist.

Über Eleganz vortäuschende Montage zweier Handlungsstränge, noch dazu in Zeitsprüngen erzählt, verfehlt das Drama die Substanz seines Kerns, verzettelt sich in zu vielen nur vagen Andeutungen und schnellen Sch(l)üssen. Das ist in Teilen sogar fahrlässig!

[ Andreas Körner ]