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Der schwarze Nazi

Deutsch, deutscher, am deutschesten

Der aus dem Kongo geflüchtete, ehemalige Lehrer Sikumoya Mumandi lebt mit seiner Freundin Moni in einer unbenannten ostdeutschen Stadt. Er bereitet sich auf seinen Einbürgerungstest vor, träumt davon, irgendwann wieder als Lehrer arbeiten zu können, und freut sich mit Moni zusammen auf die Geburt des gemeinsamen Kindes. Auf der einen Seite. Auf der anderen Seite ist er dem tagtäglichen – mal mehr, mal weniger latenten – Rassismus seiner Mitbürger ausgesetzt: ob dem Starren anderer Passanten im öffentlichen Straßenverkehr, den rassistischen Spitzen seines Arbeitsamts-Zuständigen oder den „Zurechtweisungen“ seiner Schwiegermutter, die ihn darauf hinweist, daß er „hier“ ja nur Gast sei, bis hin zu einer körperlichen Attacke seitens der klischierten – deshalb jedoch nicht weniger authentischen – Bomberjacken-Glatze-oder-Seitenscheitel-Neonazis.

Dieser Angriff auf ihn sowie die erwähnten Schikanen kulminieren darin, daß er im Krankenhausbett aus einem komatösen Zustand erwacht, seinen neu erhaltenen, deutschen Personalausweis neben sich und zum Über-Deutschen, ja zum Über-Nazi „mutiert.“ In der Folge versucht Dirk Eberlein, der Vorsitzende der lokalen NPO und Vater von Steve, einem der Rechten, die Sikumoya attackierten, ihn für Parteizwecke zu mißbrauchen, ihn zum Integrationsbeauftragten der Partei zu machen. Doch Sikus Grenzen dessen, was Deutschsein bedeutet, ziehen sich stetig enger zusammen, so daß bald niemand mehr seinen Ansprüchen standhalten kann.

DER SCHWARZE NAZI, der von den Filmemachern dezidiert als Groteske und nicht etwa als Komödie bezeichnet wird, lebt hauptsächlich von der interessanten und, im Englischen würde man sagen, Thought-Provoking Idee, die sich jedoch in der Ausführung nicht immer als komplett ausgeschöpft anfühlt. Der Film ist absurd, kommt mockumentarisch-autodidaktisch und irgendwie anarchisch-unkonventionell daher. Beizeiten trifft der Humor – denn diesen gibt es – ins Schwarze, aber nur, wenn er die oberste, allseits bekannte klischierte Realitätsabbildung beziehungsweise -übertreibung durchbricht. Und doch bleibt das Gefühl, daß da „noch mehr gegangen wäre.“

D 2016, 90 min
FSK 12
Verleih: Cinemabstruso

Genre: Satire

Darsteller: Aloysius Itoka, Judith Bareiß, Bernd-Michael Baier, Chris Weber

Regie: Tilman König, Karl-Friedrich König

Kinostart: 31.03.16

[ Philipp Winkler ] Philipp mag Filme, die sich in Randgebieten jeglicher Fasson abspielen. Filme, die mitten hinein treffen (und sei es in die Fresse). Filme, die frisch sind, selbst wenn sie siebzig Jahre alt sind. Philipp mag Literaturverfilmungen, denn er schreibt selbst. Doch grundsätzlich mag er auch Comicadaptionen, denn Philipp mag Comics. Er greift eher zu einem guten Dokumentar- als zu einem guten Spielfilm. Diese Leute mag Philipp besonders: James Marsh, Michael Haneke, Harmony Korine, Sabu, Errol Morris, Shohei Imamura, Jeff Nichols, Andrei Tarkowski, John Hillcoat, Hayao Miyazaki, György Palfi, Francis Ford Coppola und Hirokazu Koreeda.