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Die Ausbildung

Von sauberen Schreibtischen

Wenn Feierabend ist in ihren gläsern-grauen Büros, verstauen sie ihre schwarzen Laptops in silberne Pilotenkoffer und schieben sie in weiße Schränke. „Wir haben hier Clean-Desk-Policy“, sagt Azubi Jan zur neuen Leiharbeiterin Jenny. Sie staunt nicht darüber, sie weiß schon, was Norm ist in Bürogebäuden wie diesen, in Servicefirmen und Callcentern. Jan ist 20 und im letzten Jahr seiner Ausbildung. Übernahme: ja oder nein? Das große Taktieren hat begonnen. Jan ist introvertiert und konzentriert. Die großen Zusammenhänge interessieren ihn nicht. Er will nur durchkommen, und wenn ihn der Personalchef zum Gespräch bittet, will er nicht viel Schlechtes hören. Dann, wenn sie nach „Performance-Indikatoren“ schauen, nach „Entwicklungsfeldern“ statt Schwächen.

Es sieht nicht schlecht aus für Jan. Betreuerin Susanne ist übler dran. Dem steigenden Druck in der Firma ist sie nicht mehr gewachsen. Noch schlechter läuft es für Jans Mutter, die Betriebsrätin, die symbolisch vor eine Glasscheibe läuft. Jan wirkt wie eingeklemmt zwischen dem, was er sich zu erhoffen glaubt und dem, was Realität genannt wird. Die (Tot-)Schlagwörter heißen Anpassung, Angst, Ehrgeiz, Ich und Ihr da.

DIE AUSBILDUNG hat auffällige Parallelen zu Carmen Losmanns brillantem Dok-Film WORK HARD – PLAY HARD. Nicht nur durch die Tatsache, daß Regisseur Dirk Lütter dort die Kamera geführt hat, wirken beide wie sich ergänzende Zeitkommentare. Allerdings braucht der Spielfilm mehr Zugriffsmöglichkeiten, als sie Lütter aufbieten kann. Die sterile und kühle, von Ballast wie etwa Musik befreite Inszenierung ist konsequentes Stilmittel. Auch die weitestgehend emotionslose Dialogarbeit stört nicht zuvorderst, eher die Tatsache, daß Lütter sein Drehbuch mit einer Symbolhaftigkeit auflädt, die der kargen und präzisen Optik in die Seite fährt. Jans Freizeit mit rasanten Autofahrten, Porno-Internet, schrägem Konsumverhalten ist dabei ein einziges Allegoriepaket, die Zeichnung der insgesamt blassen, stereotypischen Nebenfiguren nicht minder. Schade, weil heiße Eisen wie diese einfach zu selten angepackt werden in diesem Kino-Land.

D 2010, 89 min
FSK 12
Verleih: Basis

Genre: Drama

Darsteller: Joseph K. Bundschuh, Anke Retzlaff, Stefan Rudolf, Dagmar Sachse, Anja Beatrice Kaul

Regie: Dirk Lütter

Kinostart: 31.05.12

[ Andreas Körner ]