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Die Erfindung der Liebe

Glück im Unglück

Filme haben ein Leben vor der Leinwand, das den Zuschauern meist verborgen bleibt. Sie erfahren kaum etwas von den Strapazen der Drehbuchfindung, den Plagen der Finanzierung, den Höhen und Tiefen des Drehs, geknüpft an die persönlichen Befindlichkeiten des Stabes, die Eifersüchteleien am Set – kurz: vom Film zum Film. So wäre es wohl auch mit der ursprünglichen Fassung dieses Werkes von Lola Randl gewesen, wäre nicht am Drehtag 23 die Hauptdarstellerin Maria Kwiatkowsky verstorben. Eine Tragik, die zunächst das Projekt stoppte. Denn wie dreht man weiter ohne die wichtigste Figur?

Und natürlich gab es da die finanziellen Zwänge der Produktion. Dazu die Pietät. Kann man aus einem Unglück noch etwas machen? Betrachtet man das umgebaute Werk, in dem Randl genau diese Probleme und alle Protagonisten hinter der Kamera mit ans Licht holt, muß man sagen, auch wenn man dabei eben jene erwähnte Pietät mit Füßen tritt, daß der Todesfall für den Film ein Glücksfall war. Allzu vorhersehbar wäre die ursprüngliche Geschichte gewesen, in der ein junges Paar mit Geldmangel beschließt, eine reiche, aber sterbende Grazie um die 40 auszunehmen. Er soll die Reiche heiraten und schließlich beerben. Wobei sich dann doch Liebe einstellt, und es zu allerlei emotionalen Verwirrungen kommt. In der Mixfassung, geschnitten aus altem und neu gedrehtem Material, wird Kwiatkowsky in den fehlenden Szenen kurzerhand von einer Praktikantin gedoubelt. „Man könnte ja in der Postproduktion was bauen“, so der Produzent. Der Drehbuchautor fällt von einer Krise in die nächste Schreibblockade, und der männliche Hauptdarsteller, der eigentlich mit der Regisseurin liiert ist, verliebt sich in die Praktikantin. Die wird dann auch gleich schwanger und kann so prima den Leihmutterpart für die sterbende Reiche übernehmen, die sich vor ihrem Tod nur noch eines wünscht: ein Kind. Der Drehbuchautor hingegen liebt heimlich die Regisseurin, und alle Schauspieler haben täglich neue Ideen, wie der Film am besten zu retten sei.

Das klingt verwirrend, ist aber smart, witzig und bestes Kammerspiel. Randl hat klug einkalkuliert, daß man sich die ganze Zeit fragt, wie nah an der Realität die neue Drehbuchfassung denn nun ist. Das ist mutig und bedient ironisch den menschlichen Hang zum Boulevardesken. Und wenn irgendwo da oben Maria Kwiatkowsky auf einer Wolke sitzen sollte, freut sie sich vielleicht auch, daß der Film wirklich gelungen ist, denn an ihrer schauspielerischen Leistung hätte es sicher nicht gelegen, wenn es anders gekommen wäre.

D/Luxemburg 2013, 104 min
FSK 0
Verleih: NFP

Genre: Experimentalfilm, Drama

Darsteller: Maria Kwiatkowsky, Sunnyi Melles, Bastian Trost, Mario Adorf

Regie: Lola Randl

Kinostart: 01.05.14

[ Susanne Schulz ]