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Die Farbe der Milch

Erste Liebe und andere Katastrophen

Selma ist felsenfest davon überzeugt, die größte Naturkatastrophe ihrer Mama gewesen zu sein. Schließlich starb diese bei ihrer Geburt. Aber gleich an zweiter Stelle steht für Selma ihr Vater, denn hätte der die Mutter nicht geliebt ...

Die 12jährige hat ihren Schluß aus dem tragischen Ereignis längst gezogen: Die Liebe bringt nichts Gutes mit sich. Und das bestätigt sich immer wieder. Da sind zum Beispiel Tante Nora und ihr Freund Rikard, die sich ständig um den Autoschlüssel streiten, ihre Hochzeit immer wieder ablasen und sich dann wieder versöhnen. Und wie peinlich erst die Freundinnen! Einem früheren Versprechen zum Trotz, sich nie mit Jungs einzulassen, verhalten sie sich neuerdings äußerst merkwürdig, wenn die unternehmungslustigen Vertreter des anderen Geschlechts um die Ecke biegen. Selma beschließt, das Problem naturwissenschaftlich anzugehen und beginnt über Zellteilung nachzudenken - als eine Möglichkeit, Liebe und Sex zu umgehen, ohne die menschliche Fortpflanzung zu gefährden. Doch dann taucht ein junger Fremder im Dorf auf und fragt sie, welche Farbe die Milch habe. Selma muß zunächst passen. Auch scheint ihre Schlagfertigkeit plötzlich verflogen, und am liebsten wäre sie unsichtbar. Dann aber macht sie sich an die Lösung des Rätsels. Ausgerechnet der gleichaltrige Andy scheint ihre Interessen zu teilen, und bald verbringen die Beiden viel Zeit miteinander ...

Torun Lian zeichnet mit ihrem Film (nach eigener Vorlage) das wunderbar sensible Porträt eines Mädchens zwischen Kindheit und Erwachsensein, in einer Zeit, in der die großen Entdeckungen ihren Anfang nehmen und gleichzeitig eine Ahnung aufsteigt, daß man nicht alles erklären kann. Vor dem Hintergrund eines norwegischen Sommers, der in unwirklich schöne Farben getaucht ist und in zauberhaftem Licht aufscheint, entwickelt die Regisseurin eine Geschichte, die sich um ernste Fragen dreht und dabei sehr humorvoll erzählt. Neben dem überzeugendem Spiel der jungen Hauptdarsteller erfreuen die handwerklich perfekte Inszenierung und ein temporeicher Schnitt.

Die Dialoge daneben halten perfekt die Balance zwischen Ernsthaftigkeit und Humor. So fragt Selma in einer Szene, "Andy, denkst Du an meinen Körper?" und fügt hinzu: "Tu’ das bitte nicht!" Ausweglos ist die Situation deswegen aber nicht, denn sie fährt fort: "Hast Du Lust über den Urknall zu reden?"

Originaltitel: IKKE NAKEN

Norwegen 2004, 90 min
Verleih: Arsenal

Genre: Erwachsenwerden, Kinderfilm, Liebe

Darsteller: Julia Krohn, Bernhard Naglestad, Reidar S¿rensen

Regie: Torun Lian

Kinostart: 08.02.07

[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.