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Die Frau des Leuchtturmwärters

Hohe Wellen am Ende der Welt

Man muß diese Art Kino mögen. Und wenn man es denn mag, kann man sich im neuen Film von Philippe Lioret so richtig wohl fühlen ... und am Ende ein wenig ausheulen. Lioret nämlich zaubert herbei, was das Herz begehrt. Mit DER FRAU DES LEUCHTTURMWÄRTERS reiht er sich ein in die Riege der Regisseure, die es unbestritten verstehen, visuell und emotional zu bestechen. Die Geschichte ist so einfach, wie das Leben manchmal schwer: Camille kehrt zurück auf ihre Heimatinsel Ouessant vor der bretonischen Küste, um das Haus ihrer Eltern zu verkaufen, das seit dem Tod der Mutter unbewohnt ist. In den letzten Postsendungen an die Verstorbene entdeckt sie ein Buch, dessen Umschlagseite den Leuchtturm "La jument" zeigt, den Arbeitsplatz ihres Vaters. In der darauffolgenden Nacht, die sie lesend durchwacht, erfährt sie von Dingen, die sie nicht wußte und entdeckt ein Geheimnis, welches ihre eigene Identität in Frage stellt ...

Liorets Film handelt von Frauen und Männern, von Freundschaft und Liebe, von zwei dramatischen Beziehungen, die sich kreuzen und deshalb keinen Bestand haben. In Rückblenden erzählt der Regisseur von einem Fremden, der plötzlich Einlaß begehrt in die bretonische Dorfgemeinschaft am "Ende der Welt", der dort die Einsamkeit sucht, statt dessen die große Liebe sowie eine starke Männer-Freundschaft findet und beides wieder verliert.

Sehenswert sind Landschaft und Kulisse dieses Dramas, welches auch vom Ende des Berufsstandes der Leuchtturmwärter kündet. Dem Regisseur gelingt ein eindringliches Bild von der harten und einsamen Arbeit der Männer, die einst unzählige Tage auf den kleinen Inseln inmitten des Meeres verbrachten. Dort spielen sich auch die eindringlichsten Szenen des Films ab, der mit großen Namen des französischen Kinos glänzt. Sein eigentlicher Star aber ist der hierzulande wohl wenig bekannte Philippe Torreton in der Rolle von Camilles Vater Yvon. Ihm gelingt eine überzeugende Charakterdarstellung, hinter der die Darbietungen von Sandrine Bonnaire als Camilles Mutter und Grégori Derangères als Fremdling Antoine weit zurückbleiben.

Mag sein, daß man die Darstellung einer fatalen Anziehung zwischen beiden nicht vorrangig Gruppenszenen überlassen sollte, in denen Blicke mehr sagen sollen, als Worte. Lioret hat es getan, nun sehe man selbst.

Originaltitel: L’EQUIPIER

F 2004, 104 min
Verleih: Arsenal

Genre: Drama, Liebe, Schicksal

Darsteller: Sandrine Bonnaire, Philippe Torreton, Grégori Derangères

Regie: Philippe Lioret

Kinostart: 16.06.05

[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.