Originaltitel: THE WIFE

GB 2017, 100 min
FSK 6
Verleih: SquareOne

Genre: Drama, Literaturverfilmung

Darsteller: Glenn Close, Jonathan Pryce, Christian Slater, Max Irons

Regie: Björn Runge

Kinostart: 03.01.19

14 Bewertungen

Die Frau des Nobelpreisträgers

Der Klang ungelesener Bücher und das Stolpern zerfledderter Herzen

Man liest, daß Stephen Frears bei den Dreharbeiten zu GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN Glenn Close auf das Finale ihrer Figur einigermaßen fordernd einstimmte: „Her Soul Was On Her Face.“ Worauf sie recht tiefenentspannt erwiderte: „I Know How To Show That.“

Resultat: Nunmehr 30 Jahre alte Brillanz für die Kinogeschichtsbücher, derer man sich sofort erinnert, weil Close als Joan hier den Seelenstriptease – unglaublich eigentlich – adäquat meisterlich wiederholt, ganz ohne abgewischtes Make-up oder sonstige Hilfsmittel, einfach durch das Verdunkeln ihrer Augen zur brennenden Glut, den verhärteten, schließlich verzerrten Mund, das Aufspringen und unkontrollierte Forthasten, vorübergehend quasi erblindet. Joan, an einem persönlichen Endpunkt angelangt, öffentlich gedemütigt. Von Joe, ihrem Angetrauten.

Welcher, schon im etwas seifigen deutschen Titel aus dem Utta-Danella-Gedächtnis-Universum zu erkennen, eben den Literaturnobelpreis verliehen bekam und in seiner Dankesrede die bessere Hälfte preist – als Inspiration, Stütze, Lebensliebe, derartiges Zeug. Schöne Worte, glänzende Oberflächlichkeiten, Joans Innerstes verletzend. Da sie um ständige Zurücksetzungen weiß, stets gewahrte Contenance, wenn auf einem Empfang der Gatte wieder mal ins gleißende Rampenlicht tänzelte, während THE WIFE (so das ungleich exakter auf den Punkt kommende Original) regelrecht abgeführt wurde, zum nächsten Spa, außer Sicht-, Hör- und vor allem Kommunikationsweite. Joan, die Joes Affären mit ihn anhimmelnden jungen Hühnern überlächelnde Ehefrau. Repräsentatives Anhängsel. Ein Geheimnis hütend.

Diesen Mr. Man, dessen dickhosige Fassade wie immer nur ein kleines Bündel neurotischer Unsicherheit bedecken soll, spielt Jonathan Pryce selbstredend hervorragend, und doch bleibt ihm keinerlei Chance gegen Close. Wer kürzlich in DAS KRUMME HAUS ihre 180°-Drehung von der Comic-Bitch zur tragischen familiären Beschützerin verfolgte, hat eine Ahnung ob der zu erwartenden Grandezza – und gleichzeitig die wahre Metamorphose jener (Zitat der Drehbuchautorin Jane Anderson) „ungeheuer smarten Schauspielerin“ noch vor sich.

Ein markerschütternder Wandel, vollzogen entlang plötzlicher Stimmungsschwankungen hin zur zickigen Einsilbigkeit. Bis sich der angeschossene Blick vom gängigen Platz auf dem Boden hebt, ein feines Lächeln ausgestellte Höflichkeiten begleitet: „I’m Very Comfortable Standing Here In My Own Thoughts.“ Für den jegliche Gedankentauchgänge strikt verweigernden Konterpart (= Mann) Bescheidenheit, dem aufmerksamen Hinterkulissenschauer klare Verbalattacke. Untermalt vom – man höre solcher selten aufzufindenden Alltags-Poesie genau zu – Geräusch eines nie geöffneten Buches ...

Rückblenden zeigen auf, wie zwei Menschen einander erst versuchten, darauf umeinander warben, später miteinander verharrten. Wer wurde dafür alles geopfert? Hat Sohn David jeden Grund, den Vater zu verachten? Joan und Joe, das vormalige Traumpaar, kamen abhanden, zunächst einen Fehlschritt weit, dann mehrere Meter, irgendwann das gemeinschaftliche Verirren. Weg voneinander und trotzdem eng zusammen, bloß auf Armeslänge getrennt.

Wir erleben Szenen einer Ehe, ergründen deren Scheitern, wohnen dem Schlußpunkt im Hotelbett bei, ein darstellerisches Gipfeltreffen. Nach endlich veräußerlichten Emotionen folgt unausweichliche Ruhe; draußen herrscht besinnlicher Frieden, es schneit sacht hübsche Flocken. Schnee, der auf zerbrochene Masken fällt.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...