Originaltitel: A LITTLE CHAOS

GB 2014, 116 min
FSK 6
Verleih: Tobis

Genre: Historie, Liebe, Drama

Darsteller: Kate Winslet, Matthias Schoenaerts, Alan Rickman, Stanley Tucci

Regie: Alan Rickman

Kinostart: 30.04.15

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Die Gärtnerin von Versailles

Blaues Blut, grüne Daumen, rote Wangen

Wer war Sabine de Barra? Nie gehört? Keine Sorge, und bloß keine Wut auf die ansonsten zuverlässigen Fachbücher zur Landschaftsarchitektur des 17. Jahrhunderts. Die Experten haben Madame nicht etwa übersehen oder gar übergangen. Nein, die bezaubernde Witwe, die mit ihrer ungekünstelten Art die Epoche der zur ästhetischen Maxime erhobenen Künstlichkeit aufmischt, ist – ungelogen – frei erfunden. Was sonst bleibt einem auch übrig, wenn sich die Geschichten, nach denen man sich sehnt, so nie zugetragen haben wollen? Und wo, wenn nicht im Period Piece, hätte man die Möglichkeit, mit allem Drum und Dran im Erfundenen zu lustwandeln und trotzdem, ganz ohne dick zu werden, am historisch Verbürgten zu naschen?

So trifft die erfundene Gärtnerin Sabine de Barra hier auf den historisch belegten Landschaftsgestalter André Le Nôtre. Im Auftrag von Ludwig XIV. soll der in Versailles einen Park aus dem Boden stampfen, der Mutter Natur blaß aussehen läßt. Sabine kauft sich einen Hut und fährt nach Paris, um sich bei Le Nôtre um Mitwirkung am royalen Großvorhaben zu bewerben – und sticht ihre allesamt männlichen Konkurrenten aus. Denn dem Meister gefallen Sabines unkonventionelle Ideen, mindestens ebenso sehr wie ihre ganz unhöfische, aber aparte Erscheinung. Frei nach Voltaire gilt es nun also, einen Garten zu bebauen. Natürlich einen, in dem neben allerhand Grünzeug auch die Liebe zwischen Madame de Barra und Monsieur Le Nôtre gedeiht.

Was Alan Rickman an dem Stoff so sehr reizte, daß er auch die Regie übernahm, liegt auf der Hand. Das Zusammentreffen von durchinszenierter barocker Hofkultur und erträumter Natürlichkeit bietet eine Bühne, auf der neben Ausstattern und Setdesignern vor allem die Schauspieler glänzen können: in Dialogen, Kostümen, Perücken, mit leiser Komik und saftigem Pathos. Das machen sie dann auch – sogar über manch luftig konstruierte Milieus und Charaktere hinweg. Dafür mußten sie noch nicht einmal französischen Boden betreten, denn gedreht wurde in England – really! Rickmans Romanze im durchaus zeitlosen Rüschenkleid nimmt sich diese und andere Freiheiten. Den Mut, die Genrekonventionen wirklich hinter sich zu lassen, ihre – freilich verführerischen – Bildsetzungen auf den Kopf zu stellen oder wenigstens mit ein bißchen mehr Gartendreck zu bewerfen, bringt sie letztlich allerdings nicht auf.

[ Sylvia Görke ]