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Die Jahreszeit des Glücks

Zum Greifen nahe

Für das Glück gibt es bekanntlich kein Rezept. Nur eines ist sicher: Oft findet man es da, wo man es nicht sucht, und selbst dann bleibt es so flüchtig wie die Jahreszeiten.

Bohdan Sláma ist nach seiner liebevollen Dorfposse WILDE BIENEN ernster und melancholischer geworden, die erzählerische Leichtigkeit und Sensibilität hat er sich aber bewahrt, und natürlich räumt er seinen Figuren kleine Freiräume ein für unerfüllte Träume. Es geht ums Fortgehen oder Bleiben, um Heimat und Zugehörigkeit. Sláma schlägt sich auf die Seite derer, die bleiben, jener, die keine großen Ansprüche an das Leben stellen, auch wenn sie anscheinend auf verlorenem Posten sind.

Der Ort ist eine Industriestadt in den tschechischen Bergen. Alles dreht sich um die Bewohner eines Mietshauses. Monika lebt hier bei ihren arbeitslosen Eltern, in der Aussicht, ihrem Freund nach Amerika zu folgen. Auch Toniks Eltern leben hier, sie halten ihn allerdings für einen Versager. Zusammen mit seiner resoluten Tante und ein paar Tieren harrt er in einem baufälligen Bauernhaus aus, mit Blick auf die Schlote der Fabrik. Abends singt man sich dort zur Gitarre in Schnapsseligkeit. Der brave Tonik hat eine unerfüllte Liebe, nämlich Monika, und die hat immer öfter die Kinder ihrer überforderten Nachbarin Dascha am Hals und muß zusehen, wie Dascha langsam zum hoffnungslosen Sozialfall wird. Mit den Pflegekindern und mit Tonik flüchtet sich Monika in eine kleine Ersatzfamilie im alten Bauernhaus, in dem es zunehmend durchs Dach regnet.

Oft schmerzlich direkt erzählt der Film von der Verlorenheit der Menschen, vom Überleben in der Industrieruine, vom Ende der Gemeinschaft. Das lebensnahe Sozialdrama wird jedoch nach und nach von der zurückhaltenden Liebesgeschichte überlagert, und schließlich scheinen nicht nur die Figuren, sondern auch das Glück zum Greifen nahe. Die drei Hauptdarsteller harmonierten bereits im Erfolgsfilm DIE RÜCKKEHR DES IDIOTEN miteinander. Und wieder ernteten sie in Tschechien großen Erfolg. Der sei dem Film nun auch in Deutschland gegönnt.

Originaltitel: STESTI

Tschechien/D 2005, 102 min
Verleih: Neue Visionen

Genre: Drama, Tragikomödie, Liebe

Darsteller: Tatiana Vilhemová, Pavel Liska, Anna Geislerová

Regie: Bohdan Sláma

Kinostart: 20.04.06

[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...