Originaltitel: RÉPARER LES VIVANTS

F/Belgien 2016, 103 min
FSK 12
Verleih: Wild Bunch

Genre: Drama, Literaturverfilmung

Darsteller: Tahar Rahim, Emmanuelle Seigner, Anne Dorval, Bouli Lanners

Regie: Katell Quillévéré

Kinostart: 07.12.17

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Die Lebenden reparieren

Herz will mehr

Wir wären es vielleicht gern, sind es jedoch in den seltensten Fällen: Chirurgen, Herzspezialisten, OP-Schwestern auf Intensivstationen. Kommen wir aber aus diesem Kinodrama, das zu weiten Teilen im Krankenhaus spielt, und diskutieren schon im Foyer über Transplantationen und darüber, ob sie so oder nicht anders laufen wie gezeigt, dann liegt der Verdacht nahe, etwas Entscheidendes könne hier nicht stimmen. Mit dem Film. Feuchte Taschentücher wären angemessen. Schweigen sowieso. Ein aufgewühltes Herz. Und sicher auch Streit über das Für und Wider eines großen Themas.

DIE LEBENDEN REPARIEREN beruht auf dem Roman der französischen Autorin Maylis de Kerangal. Ein Buch, das wie ein Protokoll in Prosa daherkommt und 24 Stunden rafft, die letzte wie erste, routinierte wie gänzlich neue, in jedem Falle aber entscheidende Stunden sind. Ein Tag von Simon, 19, Opfer eines Autounfalls, von Claire, 51, zweifache Mutter, von Chirurgen, Pflegern, Schwestern, Angehörigen. Daß der Film nun den Originaltitel beibehält und ihn als eindeutiges Zeichen pro Organspende manifestiert, überrascht nicht. Daß sich Regisseurin Kattell Quillévéré zwar an der Struktur der Literaturvorlage mit dokumentarischer Präzision plus Luft schaffendem Abschweifen orientiert, Letzteres gar verstärkt, gerät indes zur Tücke.

Ein junger Mann ist hirntot, einer schwerkranken Frau könnte mit dessen Herz ebenso geholfen werden wie anderen Menschen auf Listen mit weiteren Organen. Auf medizinischen, moralischen und ethischen Ebenen müssen Kämpfe ausgehalten werden, und zwar von Lebenden für Lebende. Uhren ticken ohne Gnade. Das ist Krux wie Chance. Selbst für das Gezeigte auf der Leinwand (vor der dann möglichst viele sitzen sollen), konzentriert es sich auf mehrere Aspekte einer extremen Situation.

DIE LEBENDEN REPARIEREN will das weite Spektrum, will die emotionalen Geschichten von Simons Familie genauso ausführlich wie die von Claires. Er verzichtet nicht auf Blenden in den Klinikalltag und jene, die dort arbeiten. Allerdings dringt er kaum in echte Prozesse und echtes Ringen ein, die Wege hin zum Ja statt Nein zeigen, weil einfach zu viel Zeit verlorengeht. Das ist besonders heikel, weil diese Zeit, anders als im Buch, Claire, der (Über-)Lebenden, geschenkt wird, aber wenig essentiell inszeniert ist. So wird man im Nach-Kino-Gang eben auch über Gewichtungen reden.

[ Andreas Körner ]