Originaltitel: CORN ISLAND

Georgien/D/F/Tschechische Republik/Kasachstan 2014, 100 min
FSK 0
Verleih: Neue Visionen

Genre: Drama

Darsteller: Ilyas Salman, Mariam Buturishvili, Irakli Samushia

Regie: George Ovashvili

Kinostart: 28.05.15

2 Bewertungen

Die Maisinsel

Ein Film aus einem Land vor unserer Zeit

Selten kommt ein Film in die deutschen Kinos, der so offensichtlich aus einem ganz anderen Teil des Filmuniversums stammt wie DIE MAIS-INSEL. Der georgische Regisseur George Ovashvili erzählt eine poetische Parabel über einen Großvater und seine Enkelin, die ein Eiland inmitten eines Flusses mit den eigenen Händen Stück für Stück urbar machen, mit betörend ruhigen Bildern und extrem reduzierter Sprache.

Die Erzählgeschwindigkeit orientiert sich an den natürlichen Zyklen des Wachsens. Hat man sich einmal in diesen ungewohnt ruhigen Erzählfluß versenkt, erscheint einem die hektische Abfolge von Wendepunkten, die sonst die Leinwand dominiert, fast absurd. Bis zur Mitte des Films fällt kaum ein Wort, so daß sich die Wahrnehmung ganz auf die archaischen Bilder und die intensive Geräuschkulisse konzentrieren kann. Wasser, Erde, Wind und Sonne prägen den Film genauso wie das zerfurchte Gesicht des türkischen SchauspielersİIlyas Salman, der sich auf „seiner“ Insel nur mit einigen rudimentären Werkzeugen eine archaische Welt schafft, die außerhalb der bekannten Zeitrechnung zu existieren scheint. Seine einzige Gesellschaft ist seine Enkelin, die im Laufe dieses Sommers vom Kind zur jungen Frau wird.

Erst als irgendwann bewaffnete Soldaten verschiedener Armeen beginnen, das Eiland immer enger mit ihren Booten zu umkreisen, bekommt man eine Ahnung, daß auf der Leinwand eine zeitgenössische Geschichte zu sehen ist. Die Tatsache, daß reale Territorialkämpfe zwischen Georgien und Abchasien in die Erzählung einfließen, ändert den Rhythmus der Geschichte. Plötzlich steht nicht mehr das Wachstum der Maispflanzen im Mittelpunkt, sondern die Frage, wann wieder Schüsse die Stille zerreißen, und wem das Stückchen Land inmitten des Wassers eigentlich gehört. Die Wucht des Zusammenpralls der unterschiedlichen Welten spiegelt sich im sommersprossigen Gesicht der 16jährigen Enkelin. In ihren ernsten Augen flackert Angst, aber auch Neugier auf das Neue, das sich ihr nähert.

DIE MAISINSEL ist ein elegischer Abschied von einem Leben „vor unserer Zeit.“ Glücklicherweise verzichtet Ovashvili auf den überbordenden romantischen Symbolismus, der viele andere osteuropäische Filme prägt. Damit ist DIE MAISINSEL letztendlich moderner als mancher Blockbuster der letzten Zeit.

[ Luc-Carolin Ziemann ] Carolin hat ein großes Faible für Dokumentarfilme, liebt aber auch gut gespielte, untergründige Independents und ins Surreale tendierende Geschichten, Kurzfilme und intensive Kammerspiele. Schwer haben es historische Kostümschinken, Actionfilme, Thriller und Liebeskomödien ... aber einen Versuch ist ihr (fast) jeder Film wert.