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Die Nacht der Giraffe

Traumwandlerische Suche nach einem Zuhause

Lana wird als kleines Mädchen im Zoo von Jakarta zurückgelassen. Sie streift nachts über das riesige menschenleere Gelände wie durch eine surreale Bildlandschaft und sucht nach ihrem Vater. Mit der Zeit gibt sie die Suche auf und lebt mit den Tierpflegern, von denen viele auf dem Gelände wohnen. Als junge Frau arbeitet sie schließlich selbst in dem Zoo, der inzwischen ihre ganze Welt geworden ist.

Eine Welt, die der indonesische Regisseur Edwin in einer faszinierenden Genremischung aus Dokumentarfilm und Liebesgeschichte zu beschreiben vermag. Dabei filmt er den Alltag im Zoo wie einen Traum. Die Szenen wirken entrückt, bald auch phantastisch. Denn plötzlich taucht ein geheimnisvoller junger Mann auf. Ein Zauberer, gekleidet wie ein Cowboy. Zuerst nur fasziniert von seinen Kunststücken, verliebt sich Lana schließlich in ihn und verläßt mit ihm den Zoo. Es sind die Sehnsucht nach Berührung und die Suche nach einer Heimat, die sie leiten. Doch wo findet man das heute. Der Zoo ist ein Gelände, das von Zäunen und Mauern durchzogen ist. Überall weisen Schilder darauf hin, daß die Tiere nicht berührt werden dürfen. Wie im echten Leben sind den natürlichen Bedürfnissen und Sehnsüchten hier ständig Grenzen gesetzt.

Der Film schafft es, diese meist unklaren Gefühle des Fehlens in Bilder zu übersetzen und eine berührende Geschichte darüber zu erzählen. Und macht sich dabei selbst zur Metapher auf das Kino, das mit seinen magischen Momenten auch an die Sehnsüchte der Menschen rührt und sie damit, wenn auch nur für kurze Zeit, aus ihrem gewohnten Lebensraum holt. So wie Lana. Doch ihr Ausbruch ist nicht von Dauer, der Zauberer verschwindet ganz standesgemäß in einer brennenden Kiste.

Die Geschichte von DIE NACHT DER GIRAFFE folgt nicht den üblichen narrativen Wegen. Sie löst sich von diesen Strukturen und folgt ganz eigenen, traumähnlichen Regeln. Das gibt dem Zuschauer die Möglichkeit, an Erinnerungen persönlicher Erlebnisse anzuknüpfen. Edwin folgt damit der Aufforderung einer seiner eigenen Filmfiguren. Lana und der Cowboy landen nämlich irgendwann bei einem Nachtklubbesitzer, der sie anheuern will. Nach ein paar Kunststücken, die die beiden vorführen, ist er enttäuscht und entgegnet ihnen: „Alles Vorhersehbare ist traurig. Tut doch etwas Unerwartetes, das wird die Menschen freuen.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

Originaltitel: KEBUN BINATANG

Indonesien/Hongkong/D/China 2011, 96 min
FSK 12
Verleih: Neue Visionen

Genre: Drama

Darsteller: Ladya Cheryl, Nicholas Saputra

Stab:
Regie: Edwin
Drehbuch: Edwin

Kinostart: 07.02.13

[ Marcel Ahrenholz ] Marcel mag Filme, die sich nicht blind an Regeln halten und mit Leidenschaft zum Medium hergestellt werden. Zu seinen großen Helden zählen deshalb vor allem Ingmar Bergman, Andrej Tarkowskij, Michelangelo Antonioni, Claude Sautet, Krzysztof Kieslowski, Alain Resnais. Aber auch Bela Tarr, Theo Angelopoulos, Darren Aronofsky, Francois Ozon, Jim Jarmusch, Christopher Nolan, Jonathan Glazer, Jane Campion, Gus van Sant und A.G. Innaritu. Und, er findet Chaplin genauso gut wie Keaton ...