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Die Reise ins Glück

... als schrägster Haushaltwarenladen der Welt

Wie mag man wohl einen Film finden, welcher damit beginnt, daß per grauenvoll animiertem Puppentrick ein nerviges Kind durch die Decke eines zugefrorenen Sees bricht? Okay, da gibt es noch mehrere Antworten. Doch was ist, wenn die Freunde besagten Görs plötzlich anfangen, in das entstandene Loch zu pinkeln? Richtig – dieses Werk muß man lieben!

Begleiten wir also Schneckenboot-Kapitän Gustav auf einem Trip durch die Welt bis ans Ufer einer vermeintlich einsamen Insel. Einige wenige Nachforschungen machen jedoch schnell klar, daß dieses Eiland keineswegs verlassen ist. Vielmehr residiert dort ein König, dessen Name allein schon einen dezenten Hinweis auf den unter der Krone wohnenden Irrsinn liefert: Der Monarch heißt Knuffi. Umgeben von inkontinenten Ministern, rolligen "Ommas" und ähnlich liebenswerten Gestalten, führt er ein tyrannisches Regiment. Folgerichtig liegt es an Gustavs Crew, selbiges zu beenden.

Tja, was macht nun angesichts solcher Handlung DIE REISE INS GLÜCK derart besonders, daß sich Harry Rowohlt als Sprecher betätigte, Splatter-Papst Jörg Buttgereit eine tödliche Minirolle übernahm, und Max Raabe für musikalische Untermalung sorgte? Ganz einfach: grenzenloser Enthusiasmus. Zehn Jahre lang tat Wenzel Storch alles, um das Projekt auf die Füße zu stellen, opferte den letzten Spargroschen, pumpte sich wacker durch seinen Bekanntenkreis und kämpfte nebenher gegen animalischen Dilettantismus: "Als wir das Kaninchen nach Stunden endlich so weit hatten, daß es die Pfoten auf den Lenker legte, ist es am Steuer eingeschlafen."

Am Ende steht im positiven Sinne das cineastische Äquivalent eines Flohmarktes für die etwas andere Klientel, vollgepropft mit aberwitzigen Requisiten, handgezimmerten Kulissen, Tieren, verwackelter Kameraführung (gefilmt wurde teilweise mit Equipment aus der Stummfilm-Ära), wüst chargierenden Darstellern – und eben ganz viel Herzblut. Weswegen in diesem Fall der Storch zwar immer noch keine Kinder, aber dafür mächtig viel Spaß in die Schaubühne bringt. Ein Kritiker des Montreal Mirror urteilte knapp: "Terry Gilliam On Crack." Damit ist einfach alles gesagt.

D 2004, 73 min
Verleih: Storch Film

Genre: Trash, Schräg

Darsteller: Jürgen Höhne, Jasmin Harnau, Holger Müller, Bernward Klimek, Ralph Meyer

Regie: Wenzel Storch

Kinostart: 06.01.05

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...