D 2018, 107 min
FSK 12
Verleih: Real Fiction

Genre: Drama, Action, Thriller

Darsteller: Nadin Matthews, Ibrahim Al-Khalil, Konstantin-Philippe Benedikt Ali Khalil, Marcel Andrée

Regie: Connie Walther

Kinostart: 20.08.20

4 Bewertungen

Die Rüden

Maßnahme Hund

Zwei Drittel! Immer wieder sprechen Alihan, Lukas, Volker und Adam von diesen zwei Dritteln. Keiner von ihnen will seine Strafe in Gänze absitzen, jeder hofft, die „Maßnahme“ gegen ein paar Monate Knast einzutauschen. Sie sind Gewaltverbrecher, standesgemäß verurteilte Schläger, junge Männer als Pulverfässer, geschüttelte Maskuline mit latentem Gewaltpotential. Die gehören weg, sagt die Gesellschaft.

Sind sie ja schon! Jetzt, bestens von den Braven isoliert, stehen sie, in einen grauen Overall gesteckt, sechs Tage lang in einer bizarren Arena aus eigenartig strukturiertem Beton, von oben und zwei mutmaßlichen Gefängnispsychologen aus sicherer Entfernung beobachtet, während unten die „Maßnahme“ läuft. Offiziell ist es ein Anti-Aggressionstraining, doch der Begriff greift zu kurz. Es ist ein schnittiger Blick in Psyche und System und zugleich auf eine Spezies, die glaubt, die Welt in Schach halten zu können. Wer noch in der Arena ist? Diego, Georgie und Face, alle drei unvermittelbar dort im Heim, wo sie gelandet sind, nachdem Menschen mit ihnen an im Grunde vorhersehbare, jedoch unbeherrschbare Grenzen stießen. Hunde sind es mit stählernen Beißkörben, in der Arena in Schach gehalten von Lu Feuerbach, einer Trainerin. Sie, die volltätowierte Enddreißigerin, weiß sehr genau, was sie da macht. Sechs Tage lang geht es auch um sie selbst.

DIE RÜDEN erinnert an DAS EXPERIMENT. Er ist nur um einige Zacken schärfer, allegorischer, fragender und verweigernder. Regisseurin Connie Walther knallt einen Widerborst an Film heraus, einen, der extrem spannende Haken zwischen Dokumentation und Kammerspiel schlägt, zwischen Science-Fiction und Realismus, Pathos und Kern des Ganzen, Bühne und Arthouse-Cinema. Einer mit Schreckmomenten am Stück, mit Geistern aus der Flasche, die es nur unterm Korken gemütlich haben. Doch, so ein doppelbödiges Zitat: „Es gibt Hunde, die kann man erst kennenlernen, wenn man gebissen wird.“

DIE RÜDEN ist eine solche Erfahrung. Im Wissen, daß die vier Gefangenen keine professionellen Schauspieler sind, sondern echte Strafen wegen echten Taten abgesessen haben, genauso wie die Hundetrainerin im wahren Leben eine solche ist, macht diese Kinozeit zu einer unmittelbar aufregenden. Denn das Werk sieht auch aus. Und klingt. Und klopft nicht fortwährend auf sein nun wirklich existentielles Thema, so lange, bis es weich ist.

[ Andreas Körner ]