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Die Schlösser aus Sand

Bretonisch für Getrennte

Wie halten Sie es eigentlich mit dem Wörtchen „Dunkelkammer“? Ist es noch Teil Ihres aktiven Wortschatzes? Im Film von Olivier Jahan ist ein Büdchen dieser Art dabei und mit ihm all das schummrige Rotlicht, die Bäder mit Tinkturen, zahllose Negative. Schwarzweiß-Fotografie spielt keine geringe Rolle in DIE SCHLÖSSER AUS SAND. Auf feine Weise marmoriert sie die Handlung, zusammen mit bezauberndem Humor, gefühlsechten Wirrungen und schönen Gesichtern, an denen man sich noch nicht sattgesehen hat und sich hier nicht sattsehen will.

Samuel muß raus ins windige Freie, um mit seiner daheimgebliebenen Freundin Laure in Kontakt zu treten. Und sie besteht auf Kontakt! Schließlich ist Samuel mit seiner Ex an die bretonische Côtes d’Armor gefahren. Es verwundert nicht, daß es schon während der Fahrt keineswegs nur um den traurigen Anlaß dieser Wochenendreise geht, sondern zeitig zu spüren ist, daß sich diese zwei Menschen einmal sehr geliebt haben. Jetzt sind sie getrennt, ist Éleónores Vater gestorben, geht es darum, dessen Anwesen zu beräumen. Es gab Gemeinsames an diesem Ort, nicht nur eine starke Vater-Tochter-Bindung mit gegenseitiger Hingabe ans Fotografieren. Éleónore hat einen Beruf daraus gemacht. Weil es noch ein wenig so bleiben soll und die Zeiten mieser sind, braucht sie den Erlös aus dem Hausverkauf.

Natürlich schläft Samuel brav im Nebengelaß, doch irgendetwas ist faul mit ihm. Seine latente Angriffslust zeugt von Unsicherheit. Éleónore dagegen nutzt ihr Ungebundensein für forsche Bemerkungen, fordert Samuel wieder und wieder heraus, meint es nicht so und dann doch. Sie kämpft mit der Traurigkeit, und es ist eine doppelte. Daß zwischen den einstigen Liebenden noch viel Vertrautheit herrscht, elektrisiert die Luft. Daß die Grenze vom Niemandsland hin zum Flammenmeer unbewacht ist, auch. Eine liebevolle Berührung zu viel, eine Geste zu stark, und schon könnte es wieder losgehen. Was? Das!

Regisseur und Drehbuchautor Olivier Jahan läßt DIE SCHLÖSSER AUS SAND nicht zum Sprech-Drama oder gar Rachestück verkommen. Bei französischen Altmeistern wie Rivette oder Rohmer hat er anderes gesehen. Er setzt auf diese Referenzen und Offton-Stimmen oder arbeitet mit direkter Ansprechhaltung in die Kamera. Das mag verstören und sogar stören, ist aber ein klares künstlerisches Statement. Ebenso, daß Éleónores Vater immer wieder leibhaftig auftaucht. Ein poetisch gemeintes Stilmittel, das lähmen kann und – wer wüßte es nicht? – schon oft gelähmt hat. Hier sind es Bilder vom Trösten.

Vor allem aber erzählt Jahan mit leichter Hand und ebensolchem Ton, dabei essentiell die Lieder des kanadischen Singer-Songwriters Patrick Watson bettend, über kleine Begegnungen einander bekannter oder fremder Menschen. Er beschreibt Aggregatzustände der Liebe oder wie es ist, wenn sie fehlt.

Claire taucht auf, ein Immobilienscout, der nicht mehr 24 ist. Sie will einfach nur ihren Deal machen, entdeckt jedoch im Pärchen, das keines mehr ist, die eigenen Lücken im Leben. Oder Maëlle. Die reife, schöne Frau hatte eine eigene achtjährige Geschichte mit Éleónores Vater: Sie wird die Tochter an einer sehr empfindlichen Stelle damit überraschen. Letztlich beschreibt für Éleónore und Samuel ein Spruch wie „Wir machen Schluß oder ein Kind!“ das Ausblenden ihrer gemeinsamen Zeit. Entscheidungen aber sind, wer wüßte es nicht, manchmal reparabel.

Originaltitel: LES CHÂTEAUX DE SABLE

F 2015, 102 min
FSK 12
Verleih: Film Kino Text

Genre: Drama, Liebe

Darsteller: Emma de Caunes, Yannick Renier, Jeanne Rosa, Christine Brücher, Alain Chamfort

Regie: Olivier Jahan

Kinostart: 27.04.17

[ Andreas Körner ]