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Die Thomaner

Flohwalzer zum 800.

Die Leipziger Thomaner „ ... singen zur Ehre Gottes.“ Und das seit nunmehr 800 Jahren. So lange hallt es aus der messestädtischen Provinz in die weite Welt. Den Herrn preisend auf künstlerisch höchstem Niveau. Im März feiert mit allerlei Prominenz und gebührendem Drumburium der Thomanerchor seinen Geburtstag. Und auch der Dokumentarfilmer Paul Smaczny, sich in seinen Arbeiten schon des öfteren den Gefilden klassischer Musik widmend, gibt dazu mit Ko-Regisseur Günter Atteln ein Ständchen. Ein kinematographisches freilich, das sich allerdings, um es gleich zu sagen, zu richtigem Kino bestenfalls so verhält wie der Flohwalzer zur Kunst der Fuge.

Zwölf Monate begleitet der Film die Thomaner. Bei Proben und Auftritten, im Internatsalltag. Bei einer Südamerikatournee oder dem Traditionsfußballturnier gegen die Jungs vom Dresdner Kreuzchor. Ein Thomaner-Jahr, reflektiert in zwei Polen: Da sind die Neulinge, die sich in ungewohnte Strukturen einfügen müssen. Und da sind jene, deren Zeit als Thomaner sich dem Ende neigt. Die Abiturienten, für die es gilt, sich auf einen Abschied vorzubereiten, der vielen nicht leicht fallen wird. Dazu sprechen Eltern, Schuldirektorin, Kantor Biller oder Thomaskirchen-Pfarrer Wolf in die Kamera.

Insgesamt offeriert sich das in einer TV-Konserven-Ästhetik, die eine Kinoauswertung dieses Films ziemlich absurd macht. Keine Seltenheit freilich bei Arbeiten, die, wie auch im konkreten Fall, breit fernsehkoproduziert sind. Weshalb dann auch DIE THOMANER mit einer Kameraarbeit aufwartet, die völlig uninspiriert beobachtet. Kaum ein Bild, das wirklich etwas erzählt, und kein einziges, das einer Kinoleinwand angemessen ist. Postkartenmotive von Leipzig oder Montevideo als Zwischenschnitte kaschieren diesen Umstand nicht. Auch, weil die Montage mitunter gern holpert. Selbst eine Bachkantate auf der Tonspur kann da nichts harmonischer gestalten.

Daß DIE THOMANER inhaltlich dabei mehr in die Breite als in die Tiefe geht, sich also dokumentarisch-kritischer Distanz weitgehend entkleidet, ist bei einem Ständchen legitim. Gerührt darf man gern und oft sein. Von Chorknaben in Kieler Blusen samt tapferen Kampf gegen das Heimweh. Sogar – und das will was heißen – von Teenagern; jenen eben, die nach dem Abitur mit Nachdenklichkeit und Abschiedsmelancholie ihre Thomaner-Zeit reflektieren. Was am letztlichen Urteil zu dieser Doku nix ändert: ab ins Fernsehen damit! Das Kino hat Besseres verdient.

D 2011, 113 min
FSK 0
Verleih: NFP

Genre: Dokumentation, Musik

Regie: Paul Smaczny

Kinostart: 16.02.12

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.