D 2005, 105 min
FSK 12
Verleih: Concorde

Genre: Literaturverfilmung, Erwachsenwerden, Drama

Darsteller: Paula Kalenberg, Franz Dinda, Hans-Laurin Beyerling, Tom Wlaschiha, Carina Wiese, Richy Müller

Regie: Gregor Schnitzler

Kinostart: 16.03.06

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Die Wolke

Der schmale Grat zwischen Aufklärung und Agitation

2006 jährt sich die Katastrophe von Tschernobyl zum 20. Mal, und obwohl ihre Spätfolgen sicher ewig währen, gerät sie langsam in Vergessenheit. Grund genug für Regisseur Gregor Schnitzler, Gudrun Pausewangs kontroversen Bestseller "Die Wolke" zu verfilmen und im Interview anzumerken: "Ein Kernkraftwerk ist doch, zugespitzt formuliert, so etwas wie ein Selbstmordversuch."

Einige inhaltliche Änderungen waren scheinbar unvermeidlich. Deshalb beginnt alles idyllisch mit zwei im See badenden Freundinnen. Dabei schmieden Hannah und Meike Pläne für eine Zukunft, die sie gar nicht haben, denn im nahen Atomkraftwerk kommt es zum Störfall. Tausende Menschen sterben sofort, unzählige weitere werden kontaminiert – darunter auch Hannah, deren Überlebenswillen nur noch Elmar weckt, welcher ohne Wenn und Aber zu ihr steht.

Pausewangs Roman entstand angesichts der Ereignisse in Tschernobyl; dementsprechend vertritt die Autorin bezüglich Kernkraft eine mehr als klare Meinung, was gut und natürlich legitim ist. Schnitzler geht allerdings noch einige Schritte weiter und reichert die Vorlage mit fast schon polemischen Zusätzen an. Seien es beispielhaft die geradezu effekthascherisch inszenierte Unfall-Sequenz, Meikes im Buch nicht vorhandener Sinneswandel oder ein völlig unreflektiert eingeblendetes Graffiti ("Bedankt Euch dafür bei Euch selbst!"): Der Platz für eigene (Zuschauer-)Gedanken und Gefühle muß grober Illustration weichen. Hinzu kommt, daß die völlig neu integrierte, handlungstragende Liebesgeschichte auf Grund ihrer Klischeehaftigkeit kein sicheres emotionales Fundament baut, wie es dem Roman durch eingestreute Erinnerungen sowie teils berührende Dialoge gelingt.

Insgesamt funktioniert DIE WOLKE als Film nur teilweise, da Dramatik nicht immer aus der Handlung entsteht, sondern wilden Schnitten, wackeliger Kamera sowie Geschrei erwächst, ergo mit Veräußerlichung verwechselt wird. Anders formuliert: Letztlich hat Schnitzler dem Destillat von Pausewangs polarisierendem Werk seinen eigenen Stempel aufgedrückt und so quasi das cineastische Äquivalent eines "Atomkraft? Nein danke!"-Transparents geschaffen. Ob dies als ernsthafter Kommentar zum Thema gelten kann, beurteile jeder Zuschauer selbst.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...