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Djeca – Kinder von Sarajevo

Die stille Kämpferin

Rahima trägt ihr Kopftuch wie einen Schutzhelm gegen eine ihr feindlich gesinnte Welt, mit der sie sich tagtäglich konfrontiert sieht. Im Restaurant, in dem sie als Hilfsköchin schuftet, ist sie den Launen ihres Macho-Chefs Rizo ausgeliefert, der statt seines Personals lieber seine Kontakte zur Mafia pflegt. Ihr Heimweg in das kriegsgezeichnete Wohnviertel ist ein Spießrutenlauf durch Konfliktzonen. Und selbst zu Hause findet Rahima keinen Frieden, denn ihr 13jähriger Bruder Nedim, für den sie seit dem Tod ihrer Eltern im Bosnienkrieg allein sorgen muß, begegnet ihr mit einer Attitüde zwischen Gleichgültigkeit und Hohn. Rahima trägt eine ungehörige Last auf ihren Schultern. Und doch bricht die zierliche Muslima nicht zusammen, steht jeden Tag auf und zieht in den Krieg gegen die übermächtigen Herausforderungen des Alltags in einer verwundeten Stadt. Doch als Nedim in der Schule in eine Schlägerei mit einem Ministersohn gerät, scheint die Situation für die Geschwister zunehmend aussichtslos. Rahima droht, das Sorgerecht für Nedim entzogen zu bekommen. Ihr Bruder wiederum bringt sich selbst in immer größere Gefahr, indem er die Flucht nach vorn antritt und immer mehr auf die schiefe Bahn abdriftet.

Mit Rahima hat die Regisseurin Aida Begic einen Charakter erschaffen, der zu den stärksten weiblichen Figuren des Kinojahres gehört. Die stille, beherrschte Frau führt ein Leben der Entbehrungen und schafft es dennoch, Rückschläge wegzustecken und die übermächtig wirkenden täglichen Herausforderungen irgendwie zu meistern. Durch ihre Standhaftigkeit vermittelt sie eine Hoffnung, die ihrer Geschichte entgegen aller Tristesse einen positiven Unterton verleiht. Zudem gelingt es Begic, ihre fest im Realismus verankerte Geschichte mit einer dramatischen Klarheit zu erzählen, die fast etwas Parabolisches hat. Das Politische erzählt sich ganz natürlich im Persönlichen. Denn hier, in Sarajevo, bekommt die Härte des politischen Geschäfts jeder täglich zu spüren, die Schwächsten am allermeisten.

Großen Mut beweist dabei nicht nur immer wieder die Hauptfigur, sondern auch deren Schöpferin, besonders mit einem Ende, das ganz anders daherkommt, als der eingeschlagene Weg ihrer Figur vorgibt. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, und selten hat dies jemand eindrucksvoller verkörpert als Rahima.

Originaltitel: DJECA

Bosnien-Herzegowina/Türkei/D/F 2012, 90 min
Verleih: Barnsteiner

Genre: Drama

Darsteller: Marija Pikic, Ismir Gagula, Nikola Duricko, Stasa Dukic, Velibor Topic

Stab:
Regie: Aida Begic
Drehbuch: Aida Begic

[ Paul Salisbury ] Paul mag vor allem Filme, die von einem Genre ausgehen und bei etwas Neuem ankommen. Dabei steht er vor allem auf Gangsterfilme, Western, Satire und Thriller, gern aus der Hand von Billy Wilder, Sam Peckinpah, Steven Soderbergh, Jim Jarmusch, den Coen-Brüdern oder Paul Thomas Anderson. Zu Pauls All-Time-Favs gehören DIE GLORREICHEN SIEBEN, TAXI DRIVER, ASPHALT COWBOY, SUNSET BOULEVARD, POINT BLANK ...