Originaltitel: DRIVE

USA 2011, 101 min
FSK 18
Verleih: Universum

Genre: Action, Thriller, Literaturverfilmung

Darsteller: Ryan Gosling, Carey Muligan, Ron Perlman

Regie: Nicolas Winding Refn

Kinostart: 26.01.12

64 Bewertungen

Drive

Melodisch, rhythmisch, stilsicher

Fangen wir mal mit einem Satz aus dem Buch an: „Als er viel später in einem Motel am nördlichen Stadtrand von Phoenix mit dem Rücken an die Zimmerwand gelehnt dasaß und beobachtete, wie die Blutlache sich ihm langsam näherte, fragte sich Driver, ob er einen schrecklichen Fehler begangen hatte.“ So eröffnet er, James Sallis’ Roman „Driver.“ Ein Satz – melodisch, rhythmisch, stilsicher. Kühl an der Oberfläche und dem gewissen Brodeln darunter.

Der dänische Regisseur Nicolas Winding Refn hat aus dem Buch jetzt einen Film gemacht. DRIVE heißt der. Und schon diese kleine Verschiebung im Titel, dieser Verzicht auf nur einen Buchstaben darin, signalisiert sehr gut, wie lässig Refns Film sich von der Vorlage abgenabelt hat, ohne ihr untreu zu werden. Denn wo Buch und Film sich vor allem nahtlos decken, ist schlicht in der jeweils erzählerischen Meisterschaft, die in Vorlage und Adaption lakonisch und ästhetisierend zugleich ist. Eine Stilisierung in Coolness ist dieser Mann, der Driver. Ein Fluchtwagenfahrer, notorischer Einzelgänger, Fremder ohne Namen. Driver ist Driver. Mehr muß man nicht wissen über diesen Typ in seiner glitzernden Daunenjacke mit dem eingeprägten Bildnis eines Skorpions auf dem Rücken. Kontrolliert die Gesten, im Gesicht kaum eine Regung. Aber das Wenige, was sich zeigt, ist beredt genug. Auch als Driver auf die alleinerziehende Irene trifft. Auch als beider zaghafte Annäherung ein jähes Ende findet. Irenes Ehemann kommt aus dem Knast zurück. Und steckt schon bald in Schwierigkeiten. Geldeintreiber bedrohen ihn und seine Familie. Ein Raub soll die Schulden begleichen, der Driver bietet seine Hilfe an – und sitzt bald darauf im blutgetränkten Motelzimmer.

Doch was Driver beginnt, führt er zu Ende. Und das Brodeln unter der Oberfläche wird als brutale Gewalt ausbrechen. Da macht Refn, der schon in Filmen wie BRONSON oder WALHALLA RISING nicht zimperlich war, auch in seiner ersten Hollywoodarbeit keine Kompromisse. Doch wie sein Held bleibt auch der Film seinem Rhythmus treu. (Alp-)traumwandlerisch. Ruhig atmend, selbst bei pulsbeschleunigenden Szenen. Autonom im Stil und doch verpflichtet der Ikonographie eines neonnächtlichen Neo-Noir.

So wie auch Ryan Gosling als Driver. Was er verinnerlicht hat an einschlägigen Vorbildern des amerikanischen Kinos, ist unübersehbar. Aber Gosling imitiert nicht, er destilliert. Die große Kunst der Reduktion, Minimalismus mit enormer Wirkung. Kraft- und stilvoll. Und unglaublich cool.

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.