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Ein Glückstag

Skizzenhaftes Porträt einer Generation

In ihrem Spielfilmdebüt EIN GLÜCKSTAG, ausgezeichnet mit dem Caligari-Preis auf der Berlinale 2002, erzählt die Argentinierin Sandra Gugliotta ohne Pathos und mit sehr viel Nähe eine Geschichte von Traum und Realität, von Freundschaft und Liebe. Schon in der ersten Szene, in Amateurkamera-Ästhetik auf den Straßen von Buenos Aires gedreht, wird der Filmtitel karikiert. Elsa, Anfang Zwanzig, macht gerade eine Umfrage - ein Gelegenheitsjob wie die anderen, bei denen sie Prospekte verteilt oder für Vitaminpillen wirbt. Nicht gerade ein Glückstag. Eher ein Tag wie jeder andere, an dem sie und ihre Freunde sich irgendwie über Wasser halten. Wie sie möchte Elsa Argentinien verlassen und woanders ihr Glück versuchen. Die Liebe zu einem jungen Italiener, der ihr seine Adresse in Rom und etliche Küsse auf Tonband hinterläßt, ist Anlaß, das Vorhaben umzusetzen. Nur das nötige Reisegeld ist noch aufzubringen.

Regisseurin Sandra Gugliotta wechselt gekonnt zwischen inszenierten und dokumentarischen Passagen. Die zahlreichen Außenaufnahmen zeigen den politischen Hintergrund Argentiniens und eine Protagonistin, die mit ihren Freunden relativ unbeteiligt durch die vom Protest aufgewühlten Straßen stolpert. Ein klar strukturiertes Drehbuch läßt die Darsteller immer wieder pendeln zwischen dieser Öffentlichkeit und den Orten des privaten Rückzugs. Elsas Wohnung zum Beispiel, die sie mit ihrer Freundin teilt und wo auf der Dachterrasse in vertrauter Runde gekifft wird und geträumt, wo der Lärm der aufgewühlten Großstadt dennoch unüberhörbar bleibt. EIN GLÜCKSTAG skizziert das Porträt einer jungen Generation, die nichts anderes kennt, als sich irgendwie durchzulavieren.

Ein Gegenpol zu dieser Generation ist Elsas Großvater, einstmals aus Sizilien eingewandert und noch immer an seinen anarchistischen Idealen festhaltend. Daß Elsa sich am Ende auf die umgekehrte Reise begibt, die einst ihr Großvater antrat, also seinen Traum mit umgekehrten Vorzeichen träumt, mag kurios erscheinen, ist am Ende aber ein gelungenes Bild. Ein Bild dafür, daß Träume dort beginnen, wo man herkommt. Vielleicht verhilft schon diese Erkenntnis zu einem Glückstag.

Originaltitel: UN DÍA DE SUERTE

Argentinien 2002, 94 min
Verleih: Kairos

Genre: Drama

Darsteller: Valentina Bassi, Fernán Mirás, Dario Vittori

Regie: Sandra Gugliotta

Kinostart: 06.03.03

[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.