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Ein Schiff wird kommen

Pferd in der U-Bahn, Kind im Koffer - ein Großstadtmärchen

Diesen Anfang vergißt man sicher nicht. Ein Bahnhofsschließfach wird geöffnet, ein Koffer entnommen und in einem winzigen Raum heimlich aufgemacht. Im Koffer liegt ein kleiner, dunkelhaariger Junge und bekommt eine Injektion. Der Deckel klappt zu - und schon sind wir mittendrin in der wundersamsten Kinoentdeckung des Sommers.

Unser Held heißt Bruno Winter und hat seinen letzten Arbeitstag als Busfahrer. Sein Vater bereitet mit alten Kampfgenossen und gestohlenem Panzerwagen eine kommunistische Revolution in Berlin vor. Die Frau Mama ist der festen Überzeugung, daß Sohnemann eine Gattin braucht. Da er nicht mehr der Jüngste ist, rät sie ihm, sich eine Frau zu kaufen. Bizarre Idee, klar, aber sie bringt den Stein ins Rollen. Bruno "kauft" Anita und findet wider Erwarten Gefallen an ihr. Nun handelt es sich aber um ein Mißverständnis: Anita steht nicht zum Verkauf, sondern schleust "Ware" für den lokalen Unterweltboß. Aber Bruno hat sich schon entschieden, er will Anita helfen. Bei seiner Befreiungsaktion fällt ihm auch besagter Koffer in die Hände. Bruno rettet den geschmuggelten vietnamesischen Waisenjungen und hat den Ärger seines Lebens am Hals, aber ein zugelaufenes Zirkuspferd und eine Kette erstaunlicher Zufälle stehen ihm zur Seite. Der Junge ist ihm ans Herz gewachsen, und auch Anita beginnt sich an ihn zu gewöhnen. Aber ein Happy End will hart erkämpft sein.

Poesie - sie steckt in jeder Sekunde von Pepe Planitzers Spielfilmdebüt. So skurril seine Figuren, so schräg die Zufälle auch sind, alles lebt, zappelt und fühlt sich echt an. In einem märchenhaften Berlin stellt sich Großstadtritter Bruno dem Schicksal, und wir halten zu ihm. Man hofft und staunt und wünscht sich letztendlich, irgendwann selbst einmal hoch zu Roß in die U-Bahn einzusteigen. Oder ein puscheliges Küken im 12er-Eierpack aus dem Supermarkt zu entdecken.

Träumerische Bilder und eine frische Besetzung tun ihr Übriges. Unverkrampfter kann ein Kinomärchen der Gegenwart kaum sein.

D 2002, 104 min
Verleih: Kinostar

Genre: Drama

Darsteller: Karl Kranzkowski, Christina Große, Duc Vu Trung

Regie: Pepe Planitzer

Kinostart: 17.07.03

[ Roman Klink ]