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El viaje

Protestsongs aus Chile

Wie ist das, wenn man sein Land aufgrund von Krieg und politischer Verfolgung plötzlich verlassen muß und alles zurückläßt: Freunde, Familie und auch die Musik, mit der man aufwuchs? Die Frage ist so alt wie die Menschheit selbst und angesichts des derzeitigen Flüchtlingsstroms wieder hochaktuell.

Rodrigo González muß 1974 mit seiner Familie aus Chile fliehen. Da ist er sechs Jahre alt. Die Militärs hatten ein Jahr zuvor Präsident Salvador Allende gewaltsam entmachtet und verhaften, foltern und morden nun. Die Familie verschlägt es nach Hamburg. Die Musik aus der Heimat aber nehmen sie mit: Violeta Parra, Víctor Jara oder Quilapayún. Der Vater ist Sänger, Musiker und Anhänger der linken Protestbewegung und ihrer Musik, der sogenannten „Nueva Canción Chilena.“

Heute ist Rodrigo González selbst berühmter Musiker, als Bassist der Band „Die Ärzte“, aber auch in zahlreichen anderen Musikprojekten. Die Musik seiner Kindheit hat ihn geprägt. Auf der Suche nach seinen musikalischen Wurzeln reist González zurück nach Chile. Dort trifft er jene Musiker, die sich früher gegen die Diktatur aussprachen und auch heute in ihren Liedern die Freiheit besingen, denn die ist auch über 25 Jahre nach der Diktatur nicht überall im Land Normalität. González trifft alte Männer mit weißen Rauschebärten beim Musizieren in Hinterhöfen, aber auch engagierte Musiker der nachwachsenden Generation.

EL VIAJE ist ein ruhiger und von Musik getragener Film über ein Land und seine Kultur. Rodrigo González hält sich fast zu sehr im Hintergrund und läßt den Größen der chilenischen Protest- und Gegenwartsmusik den Vortritt. Zugleich ist der Film ein Stück Aufarbeitung chilenischer Geschichte, zum Beispiel, wenn González mit dem heute fast vergessenen Liedermacher Eduardo Yanez im Stadion von Santiago sitzt und sich an die Militärdiktatur erinnert. Damals diente das Stadion als Gefängnis, in dem Yanez inhaftiert war. In seinen Liedern erinnert er an die Greueltaten.

EL VIAJE erzählt aber eben auch von Flüchtlingen, die ihre Heimat verloren haben: „Man fühlt sich in dem Land zu Hause, in dem man Wurzeln schlägt“, sagt Eduardo Carrasco, der mit seiner Band Quilapayún 1973 gerade durch Frankreich tourte und dort Exil suchte. Die Musik aber ist geblieben und bewahrt die Geschichte bis heute vor dem Vergessen.

D 2016, 92 min
FSK 6
Verleih: Mindjazz

Genre: Dokumentation, Musik, Polit

Regie: Nahuel Lopez, Oliver Keidel

Kinostart: 11.08.16

[ Claudia Euen ]