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Eva Hesse

Die Abhängigkeit von Kunst und Dasein

Die Malerin und Bildhauerin Eva Hesse war 34 Jahre jung, als sie am 29. Mai 1970 in New York an einem Hirntumor starb. Ihr Werk gehört zum Bedeutendsten moderner Kunst überhaupt. Und beides – das zu kurze Leben und was in diesem erschaffen wurde – verwob sich bald zu dem, was man gemeinhin einen Mythos nennt. Zu spekulieren, inwiefern auch die Tragik dieses bitteren, frühen Krankheitstodes die Wahrnehmung Hesses (und ihrer Kunst) in eine Überhöhung forcierte, die der Künstlerin wiederum selbst wohl befremdlich, wenn nicht zuwider gewesen wäre, ist müßig. Und grundlegend positiv an Marcie Begleiters Dokumentarporträt EVA HESSE ist dann auch erst einmal, einen Tonfall der Überhöhung, der raunenden Mythos-Erkundung vermieden zu haben. Daß man andererseits etwa auf der Tonspur Eva Hesse selbst mit der Synchronstimme einer jungen Frau zu Wort kommen läßt, die man sich umgehend irgendwie als über ihrem Poesiealbum sinnierende Teetrinkerin vorstellt, ist eine andere Sache. Und durchaus eine symptomatische. Schuldet sie sich doch dem altbekannten Problem, daß Porträts über den Porträtierenden oder, besser, den Zeit- und Wahrnehmungsgeist, aus dem heraus porträtiert wird, wenigstens so viel erzählen wie über den Porträtierten. Zumal jede Reflexion über Kunst und Künstler eben nicht nur eine Annäherung ist, sondern, in unterschiedlichen Graden, immer auch der Versuch einer Vereinnahmung.

EVA HESSE ist an der Oberfläche erst einmal grundsolide Faktenvermittlung in TV-Doku-Schönschrift. Das ist nicht so despektierlich gemeint, wie es hier vielleicht grade klingt. Denn trotz erwähnter Stimm-lage, trotz einer Gebrauchsmusik aus der Abteilung „sanftelnde Innerlichkeit“ und sogar trotz jenes im Doku-Genre inzwischen zur Konventionalität mutierten „Kunstgriffs“, mit Animationen zu illustrieren, was man anderweitig zu zeigen nicht in der Lage ist, vermag EVA HESSE einen dennoch zu fesseln. Und das liegt, wer hätte es gedacht, schlicht an Eva Hesse. Und natürlich an ihrer Kunst. Diese immer wieder im Split Screen zu zeigen, die Kamera ruhig über sie hinwegschweifen lassend und dabei Details der Werke neben deren Gesamtanblick zu stellen, offenbart sich als eine gekonnt suggestive Betrachtungsalternative, die – zumal auf Kinoleinwandformat – Sinn und ästhetischen Reiz hat. Dazu gesellt sich dann das Biographische.

Die Geburt 1936 in Hamburg, die Flucht vor den Nazis nach Amerika. Das Trauma der in Deutschland getöteten Familienangehörigen, das die Mutter in den Selbstmord treibt. Ein Schatten, der natürlich auf Evas Leben lastet. Dann deren erste künstlerische Versuche 1964. Die Erkenntnis „daß Malerei und mein gesamtes Dasein komplett voneinander abhängig sind“ (Hesse), das Bemühen, „Kunst an der Grenze zur Unbeherrschtheit“ zu machen, dieses Credo des „nahekommen, verändern, zerstören.“

Unprätentiös entfaltet die Doku dieses Leben und Wirken. Die Schwester, Künstlerkollegen, Freunde, der Bildhauer Tom Doyle, mit dem Eva Hesse verheiratet war, der Filmemacher Werner Nekes, den die Künstlerin bei einem Deutschlandaufenthalt kennenlernte, kommen zu Wort. Sie alle erinnern sich, viele in Liebe, alle in Respekt. Aber je mehr Details sich in das Porträt fügen, desto flüchtiger scheint es zu werden. Es ist, als finde die Dokumentation paradoxerweise gerade entgegen ihre Intention (entgegen jeder dokumentarischen Intention) zu ihrem Wahrheitskern. Welcher das ist? Eva Hesse wußte es: „Leben ist endlich, Kunst ist endlich – es spielt keine Rolle.“

D 2015, 105 min
Verleih: Real Fiction

Genre: Dokumentation, Biographie

Regie: Marcie Begleiter

Kinostart: 28.04.16

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.