D 2013, 124 min
FSK 6
Verleih: StudioCanal

Genre: Drama

Darsteller: Samuel Schneider, Ulrich Tukur, Josef Bierbichler, Hafsia Herzi, Marie-Lou Sellem

Stab:
Regie: Caroline Link
Drehbuch: Caroline Link

Kinostart: 24.10.13

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Exit Marrakech

In der Ferne zu neuer Nähe

Der Breuer sieht ihn. Sagt dieser zum 16jährigen Ben, kurz vor den Sommerferien, und er tut es wirklich, denn der Schulleiter erkennt zum einen das Talent des schreibenden Jungen, zum anderen dessen Bekümmertheit. Damit hat er Bens Vater schon einiges voraus, wie wir kurz darauf erfahren werden, und außerdem lösen die durchaus aufmunternden Worte bei Ben etwas Entscheidendes aus: auch er sieht. Und fühlt. Und riecht. So saugt der Junge kurz nach seiner Ankunft im fernen Marokko die Luft auf, inhaliert den Geruch des Exotischen, fühlt das Gras. Das sind Bilder, die bei anderen als manieriert abgewatscht werden, hier bei Caroline Link sind sie „richtig“, sie erzählen einfach viel über den nachdenklichen Ben.

Als dieser in Marrakesch auf seinen vielbeschäftigten Vater, ein Theatermann, trifft, fällt dem erst einmal nur auf, daß der Knabe gewachsen ist. Was wiederum viel über den Ich-Menschen Heinrich erzählt. Es folgen – obwohl sie sich ja nun räumlich näher sind – eine noch wachsende Entfremdung zwischen Vater und Sohn, das Verlieben Bens in die junge Karima, ein hübsches Mädchen, das anschafft, eine Reise vom Atlasgebirge in die Wüste und schließlich ein Wiedersehen zwischen Heinrich und Ben – unter ganz anderen Vorzeichen.

Es ist faszinierend, dem nicht streng linearen Erzählstil Links zu folgen, alles hat etwas Fließendes, scheinbar Fadenloses. Dieses Anerzählen birgt großen Reiz, denn ganz ehrlich: Was hat schon Anfang und Ende, wenn es um Gefühle geht, was kennt schon Beginn und Schluß, wenn eine Geschichte von Erwachsenwerden, großer Liebe und erstem Sex handelt, und wie verrückt wäre man denn, eine pulsierende Metropole wie Marrakesch mit einem Vollständigkeitsanspruch einfangen zu wollen?

Dieses erzählerische Loslassen wird mit tollen Bildern orchestriert, in denen Ben auf seinem Board durch die Straßen Marrakeschs fliegt, die Bedachtsamkeit der Worte paßt gut zum pointierten Einflechten einer imposanten Landschaft, die narrative Lockerheit führt letztendlich umso effektiver zum Kern des schwelenden Konflikts zwischen Heinrich und seinem Sohn. Während der eine ständig von Arbeit und Geld quatscht, will der andere „sehen“: die Landschaft, das Land, die Menschen, das Leben, die Liebe. Der Konflikt zwischen Vater und Sohn entlädt sich kathartisch in einem Schockmoment, einer Katastrophe. Doch zum Glück hält Caroline Link Hoffnung bereit.

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.