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Familienbande

Ihr Iren!

Nennen wir sie Stacey und Will und belassen es schlichtweg dabei. Verraten sei, daß sie elf ist und er um die 40. Daß sie gerade ihre Mutter verloren hat, und er nur deshalb aus dem Knast kommt, um für das Mädchen da zu sein. Familienbande eben. Wo ein Will ist, kann ein Weg sein. Oder könnte.

Der irische Regisseur Mark Noonan führt in seinem Spielfilmdebüt eine überschaubare Anzahl Charaktere mutmaßlich auf gewohntes Kino-Terrain. Zwei, die sich anfangs nicht mögen, werden am Ende dicke Tinte. Zwei im Zweckverbund brauchen sich wirklich. Zwei beim Wegdrehen entdecken die Zuneigung. Ist es so einfach? Wird dieser klein gehaltene Film dadurch gar unsichtbar? Wird er nicht. Größer aber wird er gleichfalls nicht.

Im Deutschen sagt man „schnippig.“ Auf Stacey trifft das zu. Aggressiv ist sie nicht, nur verstört. Mit der Kraft einer Fast-Pubertierenden stellt sie sich der neuen, so überraschenden Tragik ihres Lebens. Dann eben Will, man kann es ja mal probieren! Schon der erste Trip mit dem Auto in die irischen Midlands sucht zwischen beiden den Testsieger. Stacey muß pullern und zwar jetzt! „Hier an der Straße?“, fragt Will. Ja, klar! Wo sonst? Die Kleine geht wenigstens noch ins Gebüsch, Will kontert mit frei zur Schau gestelltem Pieseln. Stacey merkt wahrscheinlich schon hier, daß ihr Fahrer gar nicht so dumm ist. Dumm ist, was damals in Dublin geschah.

Sie wohnen bald im Caravanpark. Jeden Abend muß Will sich beim Bewährungshelfer melden, muß Nummern hinterlassen, verfügbar sein. Immer bekommt er vor Augen geführt, daß nur die ordnungsgemäße Betreuung Staceys gleichzusetzen ist mit Chance. Er will es nicht verkacken. Die organisierte Welt meint es nicht so gut mit ihnen. Das mit der Schulanmeldung geht schief, weil Stacey nicht schummeln mag. Doch im Wohnwagen nebenan wohnt eine junge Frau mit Sohn, die mal Lehrerin war und Stacey unterrichten kann.

Auch hier vermeidet Regisseur Noonan das allzu Offensichtliche und baut kleine Schwünge und Brücken in die Handlung, die immer hin zu den Figuren führen sollen, nicht zu dem, was sie wie erwartet tun. Staceys mysteriöse Ohnmachtsanfälle gehören dazu, und sei es nur, um ihr Tabletten zu verschaffen, die dann Will nimmt und sie mit einigen Frust-Pints im Pub zu paaren weiß. Denn auch er ringt mit Vergangenem.

FAMILIENBANDE ist ein leiser Alltagsfilm. Er will 81 Minuten lang sein. Er ist es.

Originaltitel: YOU’RE UGLY TOO

Irland 2015, 81 min
FSK 6
Verleih: Pandora

Genre: Tragikomödie

Darsteller: Lauren Kinsella, Aidan Gillen

Regie: Mark Noonan

Kinostart: 26.11.15

[ Andreas Körner ]