Originaltitel: GABRIELLE

Kanada 2013, 104 min
FSK 6
Verleih: Alamode

Genre: Drama, Liebe, Poesie

Darsteller: Gabrielle Marion-Rivard, Alexandre Landry, Marie Gignac

Regie: Louise Archambault

Kinostart: 24.04.14

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Gabrielle

Ein Fall von Glück

Im Bus entdeckt Gabrielle an einem Haus das Schild mit der Aufschrift „Wohnung zu vermieten“. Sie springt raus, läuft zurück und fragt mit besonders großen Augen nach dem Preis. „1000 Dollar“, ruft ein Mann. Gabrielle sackt zusammen. Zu teuer? Ja, das sowieso! Eine eigene Wohnung wäre für die 22jährige aber auch ein Ding sehr ferner Autonomie.

Gefühlvoll, nicht gefühlig. Behutsam, nicht betulich. Berührend, nicht rührselig. Behindert, nur anders – der heiklen Beschreibungen gibt es viele, wenn sich Filme Menschen widmen, denen ein Unfall oder das Schicksal ein Handicap bescherten. Das Fiktions-Kino thematisiert beständig und mit schwankender Qualität ADS, Tourette, Down oder Asperger, und es braucht zunächst Gespür, wollen Regisseure dabei nicht gleich in jede Falle tapsen. GABRIELLE ist (bis auf den dümmlich-deutschen Beititel (K)EINE GANZ NORMALE LIEBE) ein gelungener Versuch.Vielleicht mußte es so kommen, weil die Kanadierin Louise Archambault ihre Geschichte vom Wunsch her aufzäumte, über das Glück reden zu wollen. Weil sie spürbar interessiert ist an ihren Figuren, nicht an medizinisch-pädagogischer Aufklärung. Weil sie Verständnis möchte, nicht aber darum buhlt. Vor allem, weil sie uns so viele liebenswerte Geschöpfe zeigt. Die „nichtbehinderten“ Schauspieler, die mit „behinderten“ agieren, sind dabei ausdrücklich eingeschlossen.

Gabrielle lebt aufgrund eines angeborenen Gendefekts in einer Wohngemeinschaft Montreals. Sie singt gern und gut, der Chor ist für sie Leidenschaft. Erst recht, als sie sich dort in Martin verliebt, und er diese Liebe nur zu gern erwidert. „Es geht so schnell“, sagt Martins Mutter. „Das geht es immer“, kontert eine Betreuerin klug. Es ist kein vorsätzliches Ausgleichen, wenn hier von den Liebenden und zugleich von deren Familien erzählt wird, gleich gar nicht geht es um Anklage oder Rechtfertigung, als es hakt.

GABRIELLE lebt durchs bloße Hineinblenden und die Nähe, die der Film gestattet. Er weiß keine Antwort auf die Frage, wieviel Selbstständigkeit für Menschen wie Gabrielle und Martin möglich ist und wie groß die Kluft zu dem, was sie sich wirklich wünschen. Diese Verweigerung ist angenehm.

Es ist ein zärtlicher Film, der zum Publikumsliebling taugt. Auch durch Kleinigkeiten wie diese: Als sich Gabrielle und Martin das erste Mal innig und intim berühren, erklingen keine Geigen, sondern der Ton geht auf null.

[ Andreas Körner ]