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Gianni und die Frauen

Was verstehen Italiener von Liebe?

In Milos Formans AMADEUS gibt es eine hübsche kleine Szene, in der Mozart eine illustre Runde Kollegen, allen voran Signore Salieri, mit der Behauptung brüskiert, daß Salieris Landsleute, Italiener eben, aber so überhaupt keinen Schimmer davon hätten, was sie so gerne und so häufig vollmundig beschwören. Amore im Allgemeinen und Frauen im Speziellen nämlich. Witzig ist diese Szene natürlich vor allem, weil sie so schön ein nationales (männliches) Selbstverständnis unserer südlichen Nachbarn torpediert. Und es dann, Mozart sei Dank, in der Aussage gipfeln läßt, die Sprache der Liebe sei … Deutsch.

Nun ja. GIANNI UND DIE FRAUEN ist ein italienischer Film über Amore und, der Titel verrät es, die Frauen. Und einer über das Altwerden außerdem. Gedreht hat ihn Gianni Di Gregorio, der auch die Titelrolle spielt. Und der somit nach das DAS FESTMAHL IM AUGUST erneut sein Alter Ego in einem Film auferstehen und durchs sommerliche Rom wandeln läßt. Der milde philosophische Gianni ist dabei ein Pensionär, Ehemann und Vater einer Tochter. Vor allem aber ist er der fügsame Sohn einer steinalten und nichtsdestotrotz geradezu anstrengend rüstigen und exaltierten Mutter. Die lebt in einer hübschen Villa gemeinsam mit einer jungen Pflegerin: Christina, ein Engel der Versuchung in Blond. Mama, Pasta, die Frauen und die Liebe, die Begierde, die in Gianni wieder erwacht. Ausgelöst durch Christina, aber keineswegs nur auf sie gerichtet. Da wird der Signore zum Faun im Nachmittag seines Lebens. Nur, daß dieses Neuerwachen hier dem vom Tiefschlaf hin zum matten Dösen entspricht. Ist GIANNI UND DIE FRAUEN doch vor allem eins: eine Trägheit.

Warum? Etwa, weil der Aberwitz, der in manchen Szenen dieser Geschichte durchaus lauert, ob einem zu viel an erzählerischer Altersmilde nicht zündet, sondern lediglich glimmt. Wie in Pantoffeln schlappt Schwerenöter Gianni durch nicht selten klischierte Situationen von Liebe, Lust und Leiden. Das zeigt sich mitunter melancholisch, mit einem sympathisch selbstironischen Blick zumal, der frei ist vom dümmlichen Machismo, wie ihn kürzlich etwa noch ein anderer italienischer Streifen über Männer, Amore und Frauen (KUSSWECHSEL) in peinlichen Ausmaßen pflegte. Doch weckt (oder bestärkt) unterm Strich – und zwar der eine wie der andere Film – vor allem einen Eindruck: Sie haben keine Ahnung von dem, was da so vollmundig beschworen wird.

Originaltitel: GIANNI E LE DONNE

I 2011, 90 min
FSK 0
Verleih: Neue Visionen

Genre: Komödie, Liebe

Darsteller: Gianni Di Gregorio, Valeria Di Franciscis Bendoni, Valeria Cavalli

Regie: Gianni Di Gregorio

Kinostart: 22.09.11

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.