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Global Viral

Kaum ansteckende Erregerdoku

Man sieht sie schon, die flackernden Blicke im Kinosaal, wenn der Vorspann lospoltert: „Der menschliche Körper ist ein Schlachtfeld!“ Uiuiui. Herzklopfen, Schweißausbrüche, nackte Angst. Niemand ist mehr sicher. Und weil das ein Regisseursduo genau wußte, hat es mal eben einen Film darüber gedreht, was uns tagtäglich tückisch umgibt. Viren aller Art nämlich.

Nun lautet der Untertitel jedoch „Die Virus Metapher“, ergo soll’s ein wenig tiefgründiger werden. Da dem Ottonormalzuschauer nun aber keinesfalls zugetraut sein kann zu wissen, worum es sich bei einer Metapher handelt, definiert den Begriff ein Philosoph gleich zu Beginn. Das also glücklicherweise schon mal geklärt, rein in die Vollen. Sprich: hauptsächlich zwei Stimmen aus dem Off, deren weibliche Hälfte der Regisseurin gehört und an ihrer schläfrigen Artikulation noch feilen sollte, falls das Wecken von Interesse beim nächsten Film auf der Agenda steht. Und so plaudern sich die beiden Sprecher durch einen wahren Themenwust, hoppeln ohne erkennbare Motivation von der Antike über biologische Waffen oder Computer hin zur Memetik und Evolution des Geistes, untermalen dies durch sinnige Wortspiele wie „Fieber des Verschwörungswahns.“ Etwas länger verweilt das mit – wie gewohnt – kurzen Interviewfetzen garnierte Geschehen beim allgegenwärtigen Brennpunkt AIDS, weiß aber selbst dort keine neuen Informationen zu liefern. Wenigstens dann nicht, wenn man sich die Mühe machte, ein bißchen im Stoff zu stehen.

Bleibt, wie bei jeder Doku, natürlich die Frage, ob sie es schafft, wenigstens optisch über TV-Niveau herauszukommen. Leider negativ: allerlei Labor-Aufnahmen hier, etwas Archivmaterial dort, zwischendrin wiederkehrend eine Dame, welche uns durch Querflötenspiel erfreut. Das Ganze unter Einsatz der digitalen Heckenschere aneinandermontiert, schon fertig. Wenn allerdings gar nichts anderes mehr geht, hat man sogar die Ehre zuzusehen, wie vormals erwähnter Kommentator seinen Text einspricht. Ähm ... ja.

Am Ende bleibt kaum das Gefühl, klüger zu sein; dafür wird dann erneut der Begriff „Paradigma“ erklärt. Ganz spontan schließen wir uns da dem Klugscheißer-Modus an: Es mag ja richtig hübsch aussehen und Eindruck machen, einen Pestdoktor einzublenden, den Schwarzen Tod hat nach heutigem Wissensstand aber immer noch kein Virus, sondern ein Bakterium ausgelöst. Böse Falle.

D 2010, 80 min
FSK 12
Verleih: déjà-vu

Genre: Dokumentation

Stab:
Regie: Madeleine Dewald, Oliver Lammert
Drehbuch: Madeleine Dewald, Oliver Lammert

Kinostart: 02.08.12

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...