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Gysi und ich

Angestrengt naive Entzauberung eines Helden

Es wird das Jahr 2005 geschrieben, im Aachener Karneval mischen sich Politiker unters Volk, und Maik Bialk macht inmitten des bunten, närrischen Treibens seinen Helden aus - Gregor Gysi. Mit dem Rüstzeug eines Jungfilmers begibt er sich in die Spur des von ihm lang Verehrten und will ergründen, was hinter der Fassade steckt.

Die Vorgehensweise ist recht simpel, erschöpft sie sich doch in der Beobachtung. Fortan ist die Kamera dabei, während Gysi öffentliche und halböffentliche Termine absolviert. Mal ist sie nah dran, so bei einem Interviewtermin mit der Passauer Schülerzeitung (deren jugendliche Redakteure sichtlich irritiert sind von der Anwesenheit des Filmteams), mal sucht sie den Politiker inmitten des Wahlkampfgetümmels auf einer schier endlos scheinenden Tour oder harrt aus mit ihm in einer Stunden dauernden Fraktionssitzung. Der Blick hinter die Kulissen gerät für den Zuschauer ähnlich ermüdend wir das dortige Agieren für Gysi selbst. Hinter die Fassade des Medienprofis gelangt Bialk eben nicht. In einigen wenigen Szenen, so im einsamen Auf und Ab beim Warten auf den nächsten Auftritt als Redner, fängt die Kamera die Verlorenheit eines Mannes ein. Daß der Off-Kommentar dem Zuschauer dann aus dem Nähkästchen plaudert, um auszugleichen, was in Gegenwart der Kamera nicht gelingt, macht das Scheitern des Vorhabens nur offensichtlich.

Hoffnungsvoll tönt es da einerseits, er läßt uns in seinem Auto mitfahren und Grenzen verschwimmen, doch bleibt es dabei, und nur bei ausgeschalteter Kamera offenbart Gysi wie es ihm wirklich geht und der Filmemacher gelangt zu dem Resümee Mein Held ist unglücklich. Verweise auf frühere Herzinfarkte sowie vergangene und künftig notwendige Operationen dienen ebenso wenig dem Erkenntnisgewinn. In dem Moment, wo Gysi der Kamera überdrüssig wird und der Kontrollverlust naht, endet die Dokumentation, und Bialk versäumt es auch hier, der Wahrnehmung des Zuschauers zu vertrauen.

Einen der seltenen Augenblicke, einen nämlich, indem offenbar wird, daß Gysi über Monate hinweg sehr wohl das Bild seiner selbst im Griff hatte, kommentiert der Filmemacher damit, daß der Medienprofi (offensichtlich) zu spielen beginnt. Der aufmerksame Beobachter ist längst zu dieser Einsicht gelangt und mag sich wenig freuen an einem Geschenk, als welches Bialk dann seine Anwesenheit bei einem Gespräch mit Oskar Lafontaine interpretiert.

D 2007, 60 min
Verleih: Eigenverleih

Genre: Dokumentation, Polit

Regie: Maik Bialk

Kinostart: 15.11.07

[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.